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2. Die primären Spannungsfelder

@:SPANNUNGSF
Zunächst soll hier aber der methodische Ansatz der Arbeit vertieft werden. Wie der Titel schon ankündigt, ist "Kultur" in einem Spannungsfeld zu behandeln. Das Thema wird nicht in einer festen " Definition" fixiert und eingegrenzt,[37] sondern die Spannung ist ein integrales Element der Bearbeitung des Themas. [38] Das ur-sprünglichste Spannungsfeld von Werden und Vergehen führt uns an den Beginn der abendländischen Philosophie, zu Anaximandros:

archaen ... eiraeke ton onton to apeiron / Der Ursprung (oder: Anfang) der seienden Dinge ist das Unbegrenzte (apeiron)
ex on de he genesis esti tois ousi / Aus welchen (seienden Dingen) die seienden Dinge ihre Entstehung haben
kai taen phthoran eis tauta ginesthai kata to chreon / dorthin findet auch ihr Vergehen statt, wie es gemäß der Ordnung ist
didonai gar auta dikaen kai tisin allaelois taes adikias kata taen tou chronou taxin / denn sie leisten einander Recht und Strafe für das Unrecht (adikia) gemäß der zeitlichen Ordnung (chronos)[39]

2.1. Paradigmata, neuronale Attraktoren und Perspektivenwechsel

@:NATTRAKTOR
Hier soll die Sichtweise von "Kultur" nicht als " Gewordenes", sondern als " Werdendes" entwickelt werden. [40] Es gibt verschiedene Metaphern, die zur Verdeutlichung von primären Spannungsfeldern zu verwenden sind. Im Sinne von Kuhn [41] können wir sie auch Paradigmata nennen, und aus der Physik ist das gravitationale Feld gut bekannt, und die Schwerkraft-Anziehung kann hier cum grano salis als Modellbild dienen. Mit einer Metapher aus der Chaos- [42] und Katastrophentheorie können sie Attraktoren genannt werden. [43] Der Begriff des Attraktors deutet eine Anziehung (oder ein wirkendes Feld, eine Spannung) an, daher soll er im folgenden Text als Terminus für einen Anziehungspol eines erkennenden neuronalen Systems gebraucht werden. (Die Arbeitsweise des neuronalen Systems wird in einem späteren Kapitel behandelt). [44] Im Normalfall der Alltagswahrnehmung erzeugen die Attraktoren unseres neuronalen Systems aus dem Eingabemuster der Sinneseindrücke ein eindeutiges, wohldefiniertes Bild unserer Umwelt. Eine besondere Konfiguration von Attraktoren ist die bipolare, die auch unter dem Namen Dichotomien[45] bekannt ist, in der unsere Erfahrung und das Erkennen in polare Bereiche aufgeteilt wird . Wie wir aber alle schon erfahren haben, kommt es oft vor, daß ein Sachverhalt sich auch bei gleichem Sinneseindruck oder Datenmaterial verändern kann, wenn er z.B. in einem anderen Kontext, oder aus einer anderen Perspektive gesehen, plötzlich ganz anders dasteht als vorher. Dieser Effekt ist besonders gut bei der Interpretation von Symbolen zu beobachten, wie in der Geschichts- oder Literaturwissenschaft. [46] Das Prinzip solcher Veränderungen der Wahrnehmung läßt sich gut mit einem bekannten Beispiel aus der Wahrnehmungspsychologie erläutern:

@:GESTALTBILD


Die Boring Frauen: Gestalt-Bild zur Demonstration neuronaler Attraktoren

Dieses Bild beweist ohne großen theoretischen Ballast die grundsätzliche Wirkung neuronaler Attraktoren. [47] Wir können zwei verschiedene Motive in dem Punktmuster, aus dem das Bild ge bildet wird, erkennen: Eine alte Frau und eine junge Frau. Auf diese Motive hin wird das Erkennen des neuronalen Systems "angezogen". Wesentlich dabei ist, daß unser Wahrnehmungssystem autonom zwischen den beiden Möglichkeiten hin- und herschalten kann. Wie andere Bilder, z.B. der Necker-Würfel zeigen, ist es nicht direkt vom Willen zu beeinflussen, welches Bild gerade gesehen wird. Diese inhärente Dynamik ist das Grundprinzip des neuronalen Attraktors .

Gemäß der heutigen Sicht in der Gehirnforschung wird das Umschlagen von Gestaltmustern im Folgenden als grundsätzliche Funktionsmöglichkeit des Weltbildapparats [48] vorausgesetzt, in dem Sinne, daß Weltbilder, Referenzrahmen, Perspektiven, und Kuhnsche Paradigmata mehr oder weniger spontan umschlagen können. [49] Ähnliche Erscheinungen werden auch als Metanoia,[50] ( Kata-) Strophae[51], Tropae,[52] oder Satori[53] bezeichnet.

2.2. Das Spannungsfeld von Statik und Dynamik, Sein und Werden

@:SEINWERDEN
Das Spannungsfeld von " Sein" und " Werden", bzw. " Vergehen"[54] ist das Hintergrundthema von Heideggers "Sein und Zeit". Die Seins-Thematik Heideggers steht in der europäischen philosophischen Tradition (dem Paradigma) des Ontischen, die mit Parmenides, Zeno, Plat on, und Archimedes [55] verbunden wird. Dasein ist aber immer in der Zeit , und damit dem Werden und Vergehen, der Dynamis, der Veränderung, und dem Prozess, unterworfen. Davon handelt das Werk Heideggers aus der Perspektive des Erlebens des (menschlichen) Individuums. Wenn wir die dazu entgegengesetzt-polare Perspektive einnehmen, so orientieren wir uns grundsätzlich am Werden. In der Wissenschaft nimmt die Thermodynamik diesen Pol als Referenzpunkt ein. " Das Sein zum Tode " Heideggers ist in der Sprache der Thermodynamik die entropische Tendenz aller seienden Dinge zur Zersetzung und Auflösung im thermodynamischen Äquilibrium. Heideggers Zentralthema der "Sorge" [56] bezieht sich auf die bewußt erlebte Angst des Individuums (z.B. vor dem Tode). In der unpersönlichen Darstellung, auf die thermodynamische Sprache der dissipativen Strukturen übertragen, finden wir hier das Hauptmerkmal des Lebens: Leben ist die Aktivität von dissipativen Strukturen, ihre Muster gegen den entropischen Strom der Auflösung zu bewahren, fortzupflanzen, und fortzuentwickeln .[57]

2.3. Das Paradigma des "Werdens": Dissipative Systeme

@:THERMODYNAMIK
Die Sichtweise des "Werdens" wurde im Westen von einer philosophischen Tradition vertreten, die mit den Namen Heraklit,[58] Aristoteles, Nietzsche und Whitehead verbunden ist, und die im Osten in der Paticca Samuppada -Lehre des Buddha ausformuliert worden ist .[59] In der heutigen Naturwissenschaft ist die Thermodynamik der Hauptvertreter einer essentiell prozessualen Sicht des Kosmos, die vor allem durch Prigogine und Jantsch, und von einigen Kybernetikern, Systemtheoretikern, und Ökologen, mit der Erforschung der (Selbst-) Organisationsprozesse des Lebens verbunden wurde. [60] In der thermodynamischen Sicht sprechen wir von irreversibler Zeit , und von offenen Systemen .[61] Die essentielle Dynamik des Lebens wurde von Nietzsche sehr deutlich in einem Aphorismus formuliert .

Ja! Ich weiss, woher ich stamme! / Ungesättigt gleich der Flamme / Glühe und verzehr' ich mich.
Licht wird Alles, was ich fasse, / Kohle Alles, was ich lasse: / Flamme bin ich sicherlich. [62]

So wie es ein philosophisches Spannungsverhältnis von "Sein" und "Werden" gibt, so gibt es in der Physik eine der Thermodynamik gegenüberstehende Position der vorherrschenden mechanistischen, Newton- / Laplace- / Cartesischen Orientierung, [63] mit reversibler Zeit , und energetisch geschlossenen Systemen , die sich im energetischen Gleichgewicht befinden.

In der vorliegenden Untersuchung soll das Paradigma des "Werdens" auf die Transmission und Gestaltung in der Kultur übertragen werden. Die Sicht- und Vorgehensweisen, die mit der fundamentalen Orientierung an den Polen von "Sein" und "Werden" verbunden sind, unterscheiden sich prinzipiell. Der Pol des "Werdens" ist mit Offenheit und Unbestimmtheit verbunden. Eine solche grundsätzliche Unbestimmtheit wird in den naturwissenschaftlichen Diskursen durch Chaostheorie und Quantenphysik z.B. mit dem "Butterfly-Effekt" oder der Heisenbergschen Unsicherheitsrelation ausgedrückt. [64] Nietzsche drückte das als grundsätzliche Wissenschaftskritik mehr poetisch und etwas pointierter mit seinem Aphorismus zur Zahl aus:

Die Erfindung der Gesetze der Zahlen ist auf Grund des ursprünglich schon herrschenden Irrthums gemacht, dass es mehrere gleiche Dinge gebe (aber thatsächlich giebt es nichts Gleiches), mindestens dass es Dinge gebe (aber es giebt kein "Ding"). Die Annahme der Vielheit setzt immer voraus, dass es Etwas gebe, das vielfach vorkommt: aber gerade hier schon waltet der Irrthum, schon da fingieren wir Wesen, Einheiten, die es nicht giebt. [65]

2.4. Spannungsfeld von Theoretik und Pragmatik, Kausalität und Gestaltungsfreiheit

@:THEOPRAGMA
In Nietzsches Paragraph " Von der Unbefleckten Erkenntnis "[66] finden wir ein weiteres Spannungsfeld : Theoretik gegen Pragmatik, sowie: Notwendigkeit ( Anankae), (Natur-) Gesetz, und Kausalität, gegen Entscheidungs- und Gestaltungs-Freiheit ( Poiaesis).[67] Das Spannungsfeld von Theoretik und Pragmatik soll hier zur Verdeutlichung der Spannung zwischen den Tätigkeitsfeldern des Gestaltens ( Design, Pragmatik) und der Philosophie als Unternehmen der Theoretik, des Erkennens und Beschreibens, dienen. Ohne Nietzsches Wertung explizit zu übernehmen, dient seine Beschreibung " Von der Unbefleckten Erkenntnis " zur Veranschaulichung : Theoretik als kognitiver Attraktor [68] nimmt an, daß es so etwas wie ein berührungsloses Betrachten der Dinge geben könnte, was aber (s.o.) thermodynamisch und informationstheoretisch unmöglich ist. [69] Pragmatik wird hier im Sinne Nietzsches als formender Eingriff in den Gang der Dinge "als Schaffende, Zeugende, Werdelustige" begriffen. Pragmatik beinhaltet, daß wir nicht nur in den selben Fluß nicht zweimal steigen können (Heraklit) [70], sondern daß wir durch unseren Eingriff den Fluß des Flusses selbst beein" fluss"en (Butterfly-Effekt). Wir können der Notwendigkeit der Folgen eines jeden Eingriffs nicht entkommen, und wenn wir schon "die Kreise stören" (Archimedes )[71], dann wollen wir es eben mit Lust tun (Nietzsche), als Designer.[72] Goethes Faust-Thema gibt ein Beispiel dramaturgischer Behandlung essentieller Motive des kreativen Handelns, welches damit auch Zerstörung beinhaltet. [73]

Mit einem Rückgriff auf die alte Mythologie können wir auch das Design in den Kontext der philosophischen Grundthemen bringen. Dies sind die Begriffe der Poiaesis,[74] der Dynamis, und der En-ergeia, den Urthemen der Zeugung und der gestalterischen Freiheit , der in den alten Mythologien mit den Archae-Typen des Daemiourgos,[75] des Prometheus, des Daidalos,[76] und des Hephaistos[77] verbunden ist, und die gleichzeitig mit der altgriechischen Philosophie in der Kunst und Architektur die Grundlagen der europäischen Kultur gelegt haben. Die mythischen Bilder der griechischen Ur-Designer ( Archae-poiaeten) zeigen uns aber noch einen essentiellen Aspekt, der im jüdischen Schöpfungsmythos der Genesis herausdividiert worden ist. Während Jahweh durch sein allmächtiges Schöpferwort einfach den Befehl geben kann: "Es werde Licht", hat der griechische Archae-poiaetaes immer mit den Umständen zu ringen, mit der Notwendigkeit ( Anankae), der widerständigen Materie, die nicht einfach so herumzukommandieren ist. Dies drückt sich in den mythischen Bildern immer in allerlei Ungemach aus, das der Designer erdulden muß: Entweder ist er selber, in seiner eigenen körperlichen Form, mißgestaltet (Hephaistos), [78] oder er wird von den Göttern schrecklich bestraft (Prometheus), [79] oder es sind seine Kunstwerke selber, die ihn in immer weitere Probleme bringen (Daidalos) . Poiaesis steht in einem existentiellen Spannungsfeld zwischen "Design oder Nicht-Sein".

2.5. Das Spannungsfeld von Form und Substanz

@:FORMSUBST
Eine wesentliche weitere methodische Grundlage der vorliegenden Arbeit entwickelt sich in dem Spannungsfeld von Form und Substanz. Dies betrifft eine philosophische Grundfragestellung nach dem Wesen der Dinge: Entweder wir fragen danach, was es ist ,[80] seiner Substanz, oder wir fragen: was ist seine Form , bzw. sein Muster? [81] In der europäischen Philosophie-Tradition ist die Frage nach dem Muster mit Pythagoras und seiner Schule verbunden, in seiner Nachfolge mit den Gnostikern, und den Alchemisten, wir finden sie in der Morphologie Goethes, im 19. Jh. bei Lamarck, und im 20. Jh. u.a. bei Gregory Bateson. Die vorliegende Arbeit basiert auf dem Prinzip der Form, und der Formveränderung, der Meta-Morphose Goethes, deren numinoses Sinnbild Proteus war, der altgriechische Meeresgott der Verwandlung, der die ewig fließenden und formenden Kräften des Wassers personifizierte [82]. Die "Systematik der Formen kultureller Transmission" wird in einer Meta-Morphologie der Transmission kultureller Muster entwickelt.

2.6. Tri- und mehrpolare Attraktoren

@:TRIPOLAR
Wie oben schon gesagt, sind bipolare Attraktoren weit bekannt, weniger vielleicht mehrpolare. Die genauere Klärung ihrer Existenz und ihrer Gesetze liegt jenseits der Themenstellung der vorliegenden Arbeit. Im vorliegenden Kontext wird das Thema pragmatisch in einem solchen Spannungsfeld behandelt. Es sollen hier lediglich einige Seitenblicke angerissen werden: In der Metapher des gravitationalen Feldes finden wir das Dreikörperproblem, also die gegenseitige Anziehung von drei Massen, dessen Verhalten (i.e. die Berechnung ihrer Bahnen) mathematisch unlösbar ist, und es stellt einen der Grundtypen eines chaotischen Systems dar. Die geistesgeschichtlichen Hintergründe und Bezüge des tripolaren Attraktors wurden von Cyrill v. Korvin-krasinski (1986) in "Trina Mundi Machina" bearbeitet. Peirce hat eine ähnliche grundlegende Klassifikation mit seinem Kategorien-System von Firstness, Secondness und Thirdness, entworfen . Eine skizzierte Darstellung der "Trina Mundi Machina" als "Entity-Relation-Transaction" Triade befindet sich im Materialteil. [83]

@:TRISPANNUNG
Das tripolare Spannungsfeld der Zerstörungsfaktoren der kulturellen Transmission wird gebildet von den zu vermeidenden Polen [84]:
1) Zerfall: Die Tendenzen der entropischen Zersetzung, und Auflösung. [85]
2) Erstarrung: Die Tendenzen von mechanischer, rigider Transmission, Gerontokratie. [86]
3) Hypertrophie: Die Tendenzen des chaotischen, und blinden Wildwuchses, Jugendwahn. [87]

Die anzustrebenden, gegeneinander auszubalancierenden, Maximen des guten kulturellen Design wurden oben schon genannt:
1) Das Bewahren, die Tradition des Erreichten, die Fortpflanzung der kulturellen Güter und Errungenschaften von der Vergangenheit in die Zukunft.
2) Die Kreativität, die Permanente Neugestaltung , die Selbst-Erneuerung der "Kultur".

2.7. Das Spannungsfeld der Sprachen: Griechisch, Deutsch, Englisch

Die vorliegende Arbeit bewegt sich in dem Spannungsfeld von drei Sprachen: Altgriechisch, Deutsch, und Englisch. Auch hier ist es ein Designthema der Arbeit, diese Spannung nicht zugunsten einer einzigen Sprache aufzulösen, sondern sie als ein wesentliches Element des Arbeitsprozesses, als Dynamis, und als "Difference that makes a Difference" (Bateson),[88] als Werdendes, nicht Gewordenes, mitzuführen, und, als angewandtes Sozio-Design, den Leser in diese Dynamik mit einzubeziehen.

Zu Altgriechisch: Das Kernthema der Arbeit, die kulturelle Transmission, zeigt sich in einem Negativbild anhand des kulturellen Bruchs, der zwischen der altgriechischen Wurzel des europäischen Denkens, [89] und den modernen europäischen Sprachen besteht. Ein Symptom dieses Bruchs ist die heute praktisch verlorengegangene klassische Sprachkenntnis. Zwar bestehen die wissenschaftlichen Vokabularien zu einem großen Teil aus griechischen und lateinischen Termini, aber ihre Verwendung entspricht oft nicht mehr den ursprünglichen Bedeutungen der Worte (z.B. der Begriff der "Energie", s.o.). Im Unterschied zu den chinesischen Klassikern, wie Konfuzius und Lao Tse, die die heutigen chinesischen Gelehrten noch im Original lesen können, [90] müssen wir bei Homer und Hesiodos, Heraklit, Parmenides, Plat on, und Aristoteles, meist auf Übersetzungen zurückgreifen. Diese sind aber leider nur Notbehelfe, und beinhalten oft eine subtile Verfälschung. [91] Im vorliegenden Kontext soll anhand einiger ausgewählter Beispiele die "Difference that makes a Difference" zwischen dem altgriechischen Denken und der Welt der modernen europäischen Sprachen demonstriert werden. Dazu dient auch der Exkurs in Goethes Faust im folgenden Abschnitt. Dort soll u.a. der subtile und in modernen Sprachen nicht wiederzugebende Bezug zwischen dem antiken Konzept des phainomenon, und den Worten phaino, phos, und phonae, näher betrachtet werden.

Zur "Difference that makes a Difference" zwischen Deutsch und Englisch: Hier ergeben sich vor dem Hintergrund der gemeinsamen Zugehörigkeit zu den modernen indo-europäischen Sprachen, die mit dem (lateinischen) Alphabet geschrieben werden, viele bedeutsame Unterschiede, die im vorliegenden Kontext ihre Relevanz für das angewandte Sozio-Design haben. Sprache umhüllt und formt alle unsere Gedanken auf direkte und subtile Weise. [92] Ob die Sprache unsere Gedanken auch determiniert, wie es z.B. in der Sapir-Whorf-Hypothese [93] angenommen wird, oder wo man die Grenzen der Sprache ansetzen muß (sind Musik und Mathematik als Sprache anzusehen oder nicht?), sind Detailfragen, die hier nicht wesentlich sind. Der Werdegang der Sprachen Englisch und Deutsch korrespondiert auch mit den Schicksalen ihrer Völker. [94]

Würde man Englisch und Deutsch als Ergebnisse eines geplanten Sozio-Design-Unternehmens der letzten ca. 1000 Jahre untersuchen, so wäre der enorme Erfolg von Englisch sicher einer der wichtigsten zu vermerkenden Faktoren. Englisch ist die heute am weitesten verbreitete Sprache der Welt, [95] und praktisch die "lingua franca" der Geschäftswelt, der modernen (Natur-) Wissenschaften und vor allem des Internet. Wer heute an den extrem schnellen Publikations-Zyklen des Internet und damit dem Fortschritt der Wissenschaften, teilnehmen will, muß sich dem Gesetz der allgemeinen breiten Verfügbarkeit, dem "Publish or Perish" beugen, und auf Englisch schreiben . Im Fall der vorliegenden Arbeit empfiehlt die Integration mit anderen WWW-Publikationen und die geplante Veröffentlichung als WWW-Hypertext zumindest die Abfassung des Materialteils in Englisch.

Beide Sprachen gehören der germanischen Subgruppe an, und ein wesentlicher Unterschied liegt in der Komplexität ihrer grammatikalischen Strukturen, vor allem der Flexionen. [96] Englisch hat seine Grammatik zugunsten einer leichten Lernbarkeit und Verbreitbarkeit extrem vereinfacht, so daß es in mehrerer Hinsicht dem Chinesischen ähnlicher geworden ist, als den indo-europäischen Sprachen, wie dem Griechischen oder Deutschen. Die Ähnlichkeit mit dem Chinesischen ist auch darin gegeben, daß das Schrift-Englisch praktisch ideographisch geworden ist, da zwischen der Aussprache und der Schreibweise nur noch historisch nachvollziehbare Bezüge bestehen. Anders als im Deutschen, kann man durch Ablesen der Buchstaben eines Wortes kaum eine Vorstellung von der Aussprache bekommen. Eine weitere Eigenschaft, die Englisch als lingua franca prädestiniert, ist die Tatsache, daß sie einen extrem hohen Anteil von lateinisch- stämmigen Lehnwörtern enthält, was besonders wissenschaftliche Publikationen unterstützt: der einfache Satzbau, in Kombination mit dem sowieso für das jeweilige Fachgebiet speziellen (lateinisch-stämmigen) Fachvokabularium erleichtert die Ad-Hoc Konstruktion von speziell adaptierten Wissenschafts-Pidgins. Heute ist dieser Prozess weltweit zu beobachten, daß bei gleichzeitiger Standardisation auf Englisch als globale lingua franca eine große Proliferation von verschiedenen Fachgruppen-spezifischen Pidgin-Sprachen auf Basis Englisch mit speziellen Fachvokabularien entsteht. [97]

Deutsch hat sich im Kontrast hierzu, eine fast barocke grammatische Komplexität erhalten, die von den indo-europäischen Sprachen wohl dem Alt-Griechischen am meisten nahekommt, bzw. nur von Alt-Griechisch noch übertroffen wird. [98] Diese Komplexität, die zwar den Interessen einer fein abgehobenen, distinguierten Bildungselite entgegenkommt, (wie sie bis ca. 1914 als Gesellschaftsform in Deutschland auch die Herrschaft innehatte), [99] erschwert damit den Einstieg von Nicht-Muttersprachlern extrem, und vermindert damit die Popularität der Sprache .

[37] Siehe das folgende Anaximandros-Fragment. finis: lat. die Grenze. Das primäre Spannungsfeld ist zwischen dem Eingegrenzten, Definierten, und dem Un-Eingegrenzten ( apeiron), das im Anfang ist: en archae . Dies soll weiter unten mit Bezug auf Goethes Faust weiter behandelt werden. Ein kurzer Seitenblick noch auf die christliche Mythologie: Dort spielt der peirazo eine besondere Rolle: Der, der an (oder in) die Grenzen führt : Matth 4,3-11; Luc. 4,3-13. Er führt auch auf hohe Aussichtspunkte, wie Berge oder Turmspitzen, um weite Perspektiven aufzuzeigen. Gebser (1973), Brock, (AGEU: 198-214), Karbe (1995: 296) ->:PERSPECTIVE_VIEW, p. 110
[38] Karbe (1995: 309); Thom (1975: 323): "Our models attribute all morphogenesis to conflict, a struggle between two or more attractors. This ist the 2,500 year old idea of the first pre-Socratic philosophers, Anaximander and Heraclitus. They have been accused of primitive confusionism, because they used a vocabulary with human and social origins (conflict, injustice, etc.) to explain the appearance of the physical world, but I think that they were far from wrong because they had the following fundamentally valid intuition: the dynamical situations governing the evolution of natural phenomena are basically the same as those governing the evolution of man and societies , profoundly justifying the use of anthropomorphic words in physics."
Ein Beispiel des konstruktiven Einsatzes von Spannung in der Architektur: Buckminster Fuller (1975: 377 ff) nennt sein thermodynamisches Prinzip der Konstruktion die "Tensegrity" (Tensional Integrity). In Deutschland hat Frei Otto diese Arbeitsweise in seinem Institut für leichte Flächentragwerke ausgearbeitet. Das am besten bekannte Ergebnis dieser Arbeit ist das Zeltdach des Münchener Olympiastadions. Literatur dazu in der Schriftenreihe des Instituts, z.B.: Bach (1977), Otto (1985)
Cassirer (1994: 109): ... man muß einsehen..., daß sie [die Kultur] kein harmonisch sich entfaltendes Ganze, sondern von den stärksten inneren Gegensätzen erfüllt ist. Die Kultur ist "dialektisch", so wahr sie dramatisch ist. Sie ist kein einfaches Geschehen, kein ruhiger Ablauf, sondern sie ist ein Tun, das stets von neuem einsetzen muß, und das seines Ziels niemals sicher ist.
[39] (Diels 1954,I:12); (Pleger 1991: 61); Heidegger (1976b: 242):
Allerdings ist dieses erste denkerisch geschlossene Begreifen der physis auch bereits der letzte Nachklang des anfänglichen und daher höchsten denkerischen Entwurfs des Wesens der physis, wie er uns in den Sprüchen von Anaximander, Heraklit, und Parmenides noch aufbewahrt ist.
Das hier wiedergegebene Zitat von Anaximandros, und die im Folgenden gebrachten Zitate anderer Denker, werden nach diesem Satz von Heidegger: "Platons Lehre von der Wahrheit" (1976b: 203) verstanden:
Die Lehre eines Denkers ist das in seinem Sagen Ungesagte, dem der Mensch ausgesetzt wird, auf daß er dafür sich verschwende.
[40] s.a. Mühlmann (1996: 128):
Der kulturgenetische Standpunkt vertritt die Meinung: Kultur ist eine genetische, iterative Dynamik, die sich stets im Zustand der Kritizität, das heißt, der gefährdeten Stabilität befindet.
->:FUNDAMENTAL_IDEAS, p. 112
Dieser dynamische Ansatz wurde auch von Spengler und Frobenius in Anlehnung an Goethes Morphologie formuliert. z.B. Haberland (1973: 1-7), Spengler (1980): ix, 4, 7, 29, 31, 32, 35, 68, 69, 71, 73, 75, 533-549; zu Goethe, p. 35: "geprägte Form, die lebend sich entwickelt"; p. 205: "Orphische Urworte".
[41] Kuhn (1962)
[42] Briggs (1990: 41-73), Abraham (1992: 21 ff.)
[43] Thom (1975: 38-40, 98), (p. 323): "Our models attribute all morphogenesis to conflict, a struggle between two or more attractors."
[44] ->:WASMUSTER, p. 41
[45] s.a. Brock, AGEU: 12-18, "Distinktionismus"; Dazu auch die Darstellung bei Lippe (1997), zur Genese der exklusiv-polaren Gegensätzlichkeit von Licht und Dunkel, Gut und Böse, in der zoroastrischen Lehre, die über Judentum, Manichäismus und Christentum auf das westliche Denken eingewirkt hat: p. 76, 80, 104, 173-175. Dies ist wiederum eines der Kernthemen bei Goethes Faust (s.u.).
[46] Cassirer (1960: 217-261)
[47] Calvin (1996a: ch. 5), Haken (1992: 198-224, 236-237), Roth (1996: 263).
->:GESTALT_SWITCH, p. 123, ->:RATIOMORPHIC, p. 122
[48] s.a. Brock, (AGEU: 12-18). Der Begriff Weltbildapparat wurde von Konrad Lorenz und seiner Schule, u.a. Rupert Riedl, eingeführt, bzw. bekannt gemacht. ->:RATIOMORPHIC, p. 122
[49] Das duale Bild von Kollektiver Erinnerung und des Kulturellen Musters ->:SYSTEMATIK_TRANSMISS, p. 64
Zu Umschlagerscheinungen und Anwendung in Raumerlebnis und Weltbildapparat: Karbe (1995: 331-355).
[50] ->:FAUST_META, p. 34 ->:FAUST_METANOIA, p. 237 ->:METANOIA, p. 136
[51] Umkehrung, Wendung in der Musik. Zu kata-strophae: René Thom (1975): Katastrophentheorie.
strophae: Drehen, Wenden, Kreisen, Strophe. Plat on: Politeia (617 B- 620 E) ->:MOIRAE, p. 166
[52] tropae, trepo: Umkehr, Rückkehr, Wendung, Veränderung, tropos: Wendung, Richtung, Art & Weise, Einrichtung, Verfassung, Manier, Sitte, Mode, Charakter, Wesen, -> en-tropia: Windungen oder Ränke
[53] Zen Tradition.
[54] Siehe das o.g. Anaximandros-Fragment. ->:SPANNUNGSF, p. 22
[55] Archimedes wird hier als Wegbereiter der Natur- und Technikwissenschaften genannt.
[56] z.B. Heidegger (1977a): § 41, p. 191; § 45, p. 231, die Beziehung zu "Faust" in § 42, p. 198
[57] Frei Otto: "Naturverständnis" (1985), p. 30: "Jede lebende Ordnung ist der Tendenz zur Destruktion abgewonnen."; SchröDinger (1946: 68-75) ch. VI: "Order, disorder and entropy"; Lorenz (1992: 140-145), "Fulguration"; eine populäre Darstellung ist in Rifkin (1980); In einer früheren Formulierung schon bei Spinoza (Hoffmeyer 1996: 138); Stan Salthe, unter ->:ERT_TRIAD, p. 135
Heraklit, B 64: ta de panta oiakizei Keraunos: Das Steuer des Alls führt der Keraunos.
Gumilev (1990: 198): ... lightning is energy, in my language anti-entropic impulses that with their rise disrupt the processes of death, the entropy of the Universe. Force, the cause provoking acceleration, saves Cosmos from conversion into Chaos, and the name of this force is Life. But in the eternal war of the protogenic elements, the servants of Kronos, the hundred-handed giants or asura (Sanskrit), lose nothing because they have nothing to lose. Kronos changed their appearance every second, and so deprived them of personal qualities and properties.
Gumilev (1990: 259-262): "The Nature of Drive", Bezug auf Vernadski. Gumilev nennt den anti-entropischen Drang "Drive". Man beachte, daß der antike Begriff "energeia" sehr genau dem Konzept des "Drive" entspricht.
[58] Cassirer (1959: 177)
[59] ->:PATICCA_SAMUPPADA, p. 120
[60] Frei Otto (1985), p. 15-38; Ulanowicz (1996);
Straub (1990, p. 8): Irreversibilität als Grundlagenproblem wird bis heute nicht akzeptiert; der erhebliche Aufwand, der vor etwa 100 Jahren für einige Jahrzehnte dafür getrieben wurde, diente lediglich seiner endgültigen Verdrängung. Die Spitzenprodukte heutiger Physik, Quanten- und Relativitätstheorie, sind Musterbeispiele für den Erfolg dieser erstaunlichen Entwicklung... Irreversibilität [ist] ... nach Einstein eine Illusion.
Straub (1990, p. 9): Theoretische Physik als abendländische Ideologie... Die Mittel dazu... extreme Formalisierung und der Konsens... rücksichtslose Zurückdrängung der Irreversibilität in der theoretischen Physik.
[61] 1. Thermodynamischer Hauptsatz: Die Gesamtenergie eines geschlossenen Systems bleibt immer konstant. 2. Thermodynamischer Hauptsatz: Die Entropie eines Systems nimmt immer zu. (Die freie Energie nimmt ab). S.a. Mühlmann (1996: 16, 83), p. 47: "Das mächtige Energiewesen der Kultur existiert. Man kann es nicht durch Philosophie beschwichtigen."
energy: ->:PRELIMINARY_DEF, p. 103
[62] Die fröhliche Wissenschaft, Nr.62; 3,367. Heraklit B 30, 31, 64a, 65, 66, 76, 84a, 90
[63] energy: ->:PRELIMINARY_DEF, p. 103
Ohne hier auf die kulturgeschichtliche {Relevanz / Genese} physikalischer Grund-Vorstellungen einzugehen (siehe dazu Straub und Ulanowicz, a.a.o): Die heutige physikalische Bedeutung von Energie beinhaltet einen doppelten Übersetzungsfehler: En-ergeia hieß ursprünglich (en archae): Wirksamkeit, Tatkraft, Potential um Werke, oder Taten ( ergon) zu vollbringen. (S.a. die Behandlung von ergon im Faust-Stoff weiter unten). Die erste Fehlübersetzung von Energie, als "Potential, um Arbeit zu leisten" beruht darauf, daß der heute allgemein verwendete Begriff Arbeit in der Antike mit dem Wort Ponos bezeichnet wurde, das war aber keine Sache, mit der sich ein Philosoph oder ein freier Brürger beschäftigte, denn Ponos war den Sklaven überlassen. Der Aspekt des Potentials, oder Poiaesis, ist Gegenstand des zweiten Übersetzungsfehlers, denn das "Potential, um Arbeit zu verrichten", wird " Freie Energie " genannt. Die wird aber in einem geschlossenen System nach dem 2. Hauptsatz immer degradiert und verschwindet, wenn sich das System im thermischen Gleichgewicht (maximaler Entropie) befindet.
[64] Thermodynamische Unbestimmbarkeit ist z.B. dadurch gegeben, daß jeder Messungsprozess einen Energieaustausch mit dem gemessenen System bedingt, der damit das zu messende System u.u. entscheidend beeinflußt (perturbiert). Dies ist zwar im Makrobereich meist zu vernachlässigen, aber es wird bei fortschreitender Miniaturisierung z.B. für die moderne Informationstechnologie ein wichtiger Faktor. Das Prinzip wurde von Brillouin in der "Austreibung des Maxwellschen Dämons" dargestellt.
[65] Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches I, Nr. 19; 2,40
[66] Zarathustra, II. Teil: "Von der Unbefleckten Erkenntnis"
[67] Zum Unterschied der aristotelischen Begriffe Poiaesis und Praxis bei Picht (1987: 38-40). Poiaesis ist das Hervorbringen eines dinglichen Werkes ( ergon), während Praxis das Ziel ( telos) in der Handlung selbst findet.
[68] Was natürlich im wirklichen Leben so nie vorkommt. Auch der idealistischste aller Philosophen muß sich auch um die pragmatischen Dinge des Lebens kümmern. Hegel konnte als Lebenszeit-Beamter des Preußischen Staats sein bekanntes idealistisches System entwickeln, ohne es der Probe der täglichen Anwendbarkeit auszusetzen. Die sog. Philosophie des Pragmatismus wurde vor allem in Amerika, von Peirce und W. James, entwickelt.
[69] s.a. Illich (1998)
[70] Heraklit B 12, 49a, "panta rhei" 65 A3.
[71] "Noli turbate circulos meos". Dieses berühmte Zitat läßt sich auch im tieferen kosmologischen Sinne interpretieren: Dahinter verbirgt sich die geometrische, ptolemäische Anschauung, daß die Bahnen der Planeten aufgrund göttlicher Symmetriegesetze kreisförmig sein müßten (der Kreis als die vollkommenste geometrische Figur, s.a. Plat on, Timaios). Die beobachteten Planetenbahnen sind aber "gestörte Kreise", nämlich Ellipsen, die nach der ptolemäischen Sicht durch Epizyklen zustandekommen. (Spektrum d. Wissenschaft, Jan. 1993, p. 84, 86-87). Noch Kopernikus hat sich, trotz seiner "Revolution" des heliozentrischen Weltbildes (die so revolutionär nicht war, da es schon in der Antike bekannt war), noch zu diesem geometrischen Symmetrieprinzip bekannt. Erst Kepler hat es gewagt, diese göttliche Harmonie des Kosmos nachhaltig zu stören, bzw. durch seine eigene "Harmonice Mundi" zu ersetzen. S.a. (Haase 1998); Kepler (1982).
S.a. Brock (AGEU, p. 134): Der Bildsturz, sicherlich auch Entsprechung zu den damals durchgesetzten Auffassungen vom Heliozentrismus und der Kugelgestalt der Erde, löste den Betrachter aus dem Standpunkt, der ihm vor dem zentralperspektivisch organisierten Bildraum aufgezwungen wurde. um ihm eine gottähnliche Perspektive auf Geschehnisse zu ermöglichen: die Erfahrung der Gleichzeitigkeit und der Gleichörtlichkeit. Dem Betrachter wird so die gleichzeitige Durchdringung der organisierten Bildraumsysteme von den verschiedensten Standpunkten ermöglicht.
[72] Dieses Thema wird weiter unten, im Kapitel "Kultur im Spannungsfeld von Tradition und Innovation" näher behandelt. S.a. Bazon Brock: "Anschauen ist aber nichts Passives. Die Anschauung realisiert sich im Gehirn." http://www.uni-wuppertal.de/FB5-Hofaue/Brock/Projekte/NeuroAe2.html (URL)
Spengler (1980: 715): "Wachsein ist Tätigkeit im Ausgedehnten und zwar willkürliche Tätigkeit."... "Das Sehen eines hochentwickelten Auges... Hier besteht ein deutlicher Wille zum Empfangen von Eindrücken; wir nennen das Orientierung."
[73] ->:GOETHEFAUST, p. 34
[74] poiaesis: Hervorbringen, Erzeugen, Schaffen, Bilden, Bauen, Verfertigen (Handwerker, Künstler), Dichten, Dichtkunst, Poesie, Darstellung; poiaetaes: Verfertiger, Erfinder, Schöpfer, Gesetzgeber, Dichter, Schöpfer eines geistigen Werkes. Analog dazu, im Bereich der Natura ( naturans), die physis, verbunden mit den Worten: phyein, phyllo-, und phyto-.
[75] Plat on, Timaios
[76] daidallo: kunstvoll arbeiten, künstlich verzieren , schmücken, daidalma: Kunstwerk
[77] S.als Kontrast dazu, in Faust: Mae-Phaistos
[78] Schmiede-Mythen portraitieren oft mißgestaltete Menschen, s. a. "Wieland der Schmied", und die Schmiede-Zwerge in der 'klassischen Walpurgisnacht' in Goethes Faust.
[79] Zum Mythos des Prometheus, dem "vorbedacht Handelnden", s.a. Bazon Brock, AGEU, p. 136-137. Im menschlichen sozialen Kontext sorgen die Autoritäten des Establishment dafür, daß Charaktere, die mit allzu kreativen Einfällen Unruhe stiften, ihre gebührende Strafe finden. S.a.: "Kultur im Spannungsfeld von Tradition und Innovation": " Innovation wird als gefährlich oft empfunden, weil stets sie mit Veränderung verbunden ". ->:INNOVATION_GEFAHR, p. 83
[80] also sein statisches Sein, Ontik
[81] Der folgende Absatz nach Bateson (1972: 449). S.a. Whitehead (1969: 34), ->:WHITEHEAD, p. 114
S.a. Schrödinger (1951: 27-31), p. 31: "Die Substanz hat ihre Rolle ausgespielt".
[82] Die morphologische(n) Schule(n) nach Goethe werden weiter unten behandelt. Goethe gibt den alles formenden und erzeugenden Kräften dieses Elements ein grandioses Denkmal in Faust (8033-8487) "Felsbuchten des ägäischen Meeres", in einem der szenischen Höhepunkte des gesamten Werkes, dessen phantastischer Bilderreichtum ein einziger Hymnos an die zeugende Kraft des Kosmogonischen Eros des Wassers ist. (S.a.: Goethe (1972: 571-582); Klages (1981,III: 353-498)). In diesem Zusammenhang ist das Spannungsfeld der geomorphologischen Erkenntnispositionen der Neptunisten und Plutonisten erwähnenswert. (Krätz 1998). Goethe war Neptunist, nahm also das Element Wasser als bestimmendes in der Erdgeschichte an. Zwar ist diese Position heute überholt, aber das dahinter stehende Spannungsfeld der Erkenntnispositionen der Fokussierung auf das Flüssige oder das Feste ist weiter aktuell. So ist Leben aus diesem Spannungsfeld entweder durch substantielle Faktoren bestimmt (Kohlenwasserstoff-Verbindungen wie RNS, DNS, Proteine, Kohlehydrate), oder aber von flüssig-dynamischen: Hydrodynamik und -Mechanik, und Ionenprozessen. Im politischen Bereich spricht Karbe (1995: 20, 34) die grundsätzlich unterschiedlichen politischen Ausrichtungen des wasserbasierten Systems von Venedig (in der Nachfolge der griechischen und phönizischen Seefahrerstaaten) gegen die sonst vorherrschenden land- und territorial-basierten Staatsformen an.
->:SOCIODESIGN, p. 89 ->:MEPHAISTOMORPHOSE, p. 37
[83] ->:ERT_TRIAD, p. 135
[84] In Anlehnung an die Odyssee eine tripolare " Skylla und Charybdis "-Situation.
Spengler sah in seinem Hauptwerk "Der Untergang des Abendlandes", die kulturelle Situation einseitig unter dem (eukaryotischen) organischen Paradigma. "Kultur" ist aber, wie die prokaryotische Transmission, potentiell unsterblich .
[85] Als Beispiel für metaphorische Anwendung der Entropie auf soziale Verhältnisse: Woehlcke (1996).
[86] Siehe z.B. die katholische Kirche, die Tradition der zentralaustralischen Aborigines.
[87] Auch als "Kreativität um jeden Preis" bekannt. Z.B. in der chinesischen Kulturrevolution.
[88] ->:MORPHOLOGY, p. 128
[89] Snell: "Naturwiss. Begriffsbildung im Griechischen", in Gadamer (1989: 21-42).
Heidegger (1977b: 8): Die Übersetzung der griechischen Namen in die lateinische Sprache ist keineswegs der folgenlose Vorgang, für den er noch heutigentags gehalten wird... Das römische Denken übernimmt die griechischen Wörter ohne die entsprechende gleichursprüngliche Erfahrung dessen, was sie sagen, ohne das griechische Wort. Die Bodenlosigkeit des abendländischen Denkens beginnt mit diesem Übersetzen.
[90] ->:CHINESE_WRT, p. 178, ->:CHINESE_ALTERN, p. 186
[91] S. Ortega Y Gasset (1996, IV: 126-151), "Glanz und Elend der Übersetzung", das Traduttore - Tradittore-Wortspiel im Italienischen p. 127; Heidegger (1976b: 245).
[92] Whitehead (1969: vii, 17)
[93] Whorf (1956), Sapir (1972). Pinker (1995: 60 ff) polemisiert ausgiebig gegen Whorf:
Pinker (1995: 61): ... Whorf did not actually study any Apaches; it is not clear that he ever met one. His assertions about Apache psychology are based entirely on Apache grammar - making his argument circular.
[94] S.a. Spengler (1980: 741-742).
[95] was nicht bedeuten muß, daß sie von der größten Zahl der Menschen gesprochen wird. Da liegt Chinesisch vorn.
[96] Paglia (1991: 195-196)
Pinker (1995: 61), zitiert die köstliche Parodie von Mark Twain, die hintersinnig mit der barocken deutschen Sprachstruktur auch gleich die dunkleren Seiten des deutschen Nationalcharakters diagnostiziert.
Bodmer (1985: 257-307), (p. 257): German is the most conservative... It has not gone far beyond the level of English in the time of Alfred the Great. Consequently it is the most difficult to learn... A brief account... will help to bring the dead bones of German grammar to life.
[97] (Galinski 1996), Publikationen der TKE-Konferenzen, persönl. Kommunikation, Dr. Christian Galinski (Infoterm, Wien). S.a. Spengler (1980: 734-735).
[98] Wobei sich die Frage erhebt, welche Vorteile die Komplexität bietet. Z.B. ob sich über die größeren Möglichkeiten der feinen Nuancierung und Differenzierung auch subtilere Aussagen machen lassen. Es gibt viele Argumente für das Lernen von Altgriechisch und Deutsch.
S.a. Bodmer (1985)
[99] Inzwischen sind wir aber 85 Jahre, und zwei deutsche Totalzusammenbrüche weiter.

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