Während
der Arbeit in Richtung auf eine humane Computertechnologie entstand die
Erkenntnis, daß es nicht damit getan ist, bestimmte Programmiermethoden
hier, und gewisse Arbeitsmethoden da zu verbessern. Es zeigte sich, daß
es die tief eingegrabene Natur dieser Technologie ist, die die wirkliche
Ursache für alle Seiteneffekte ist, wie sie uns heute unter dem Stichwort
der Software-Krise begegnen. Diese Ursache liegt in der Natur der
Computertechnologie: Computertechnologie ist Kriegstechnologie.Seite:
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Obwohl meiner Meinung nach ein Informatik-Institut der Universität
der Bundeswehr genau die richtige Stelle wäre, um den Anfang zur
endgültigen Entmilitarisierung des Computers zu setzen, muß ich hier
betonen, daß ich mit meinen Ausführungen weder die Meinung der
Universität der Bundeswehr, noch ihres Präsidenten, noch die Meinung
irgendeines Fakultätsmitglieds, oder Herrn Professor Molzbergers vertrete.
Die hier geäußerten Ansichten und Ideen sind ganz und gar meine
eigene Meinung und meine eigene Erkenntnis.
In diesem Aufsatz kann nur ein skizzenhafter Anfang gemacht werden, der aber
insofern seine Bedeutung hat, als er sich fundiert auf das Wissen und die
Kenntnis stützt, die mit dem vollen Spektrum der Computertechnologie
verbunden ist. Dies ist leider ein Schwachpunkt aller heutigen
Geisteswissenchaftler, daß sie der harten Realität der
Computertechnologie nicht auf ihrem eigenen Terrain begegnen können, und
daher darauf angewiesen sind, ihr Material aus zweiter Hand, aus den Meinungen
und Ansichten der Computertechnologen über sich selbst, und ihre Zunft, zu
beziehen. Hier ist also der Ansatz, die Brücke zwischen Technologie und
Humanismus zu schlagen, und ich hoffe, daß ich mit diesem Ansinnen nicht
zwischen den Mühlsteinen zerrieben werde. Einstein hat damals die
Problematik eines solchen Unterfangens so beschrieben, als er von seiner
Theorie (der Relativität) sagte: "Wenn ich Erfolg habe, dann werden mich
die Deutschen einen Deutschen nennen, und die Franzosen werden mich einen
Weltbürger nennen. Wenn ich aber keinen Erfolg habe, werden mich die
Deutschen einen Juden nennen, und die Franzosen nennen mich einen Deutschen."
Eine
radikale Analyse der Wurzeln der heutigen Technologie reicht sehr, sehr weit in
der Vergangenheit. Nach Schätzungen etwa 10.000 Jahre. Das
Volksgedächtnis bewahrt solche uralten Spuren vortrefflich, und eine der
klarsten Spuren, die so sehr weit zurückreichen ist: "Wissen ist Macht" Da
ein Exkurs in eine so graue Vergangenheit fast nur mit spekulativen Mitteln
durchgeführt werden kann, sollen hier nur einige wesentliche Aspekte
dieser uralten Tradition angerissen werden.
Heutige Technologiekulturen sind eng mit dem uralten Macht- und
Herrschaftsinstrument der Hierarchie verbunden. Sowohl militärische, wie
politische als auch wissenschaftliche Komplexe sind hierachische Gebilde. Siehe
dazu auch in der Bibliographie: °SCHWA85 °BORN75 °GEHL64. Diese
Gebilde kann man als soziale Organismen bezeichnen: Es sind Komplexe, deren
Lebenszeit die Lebensspanne ihrer Konstituenten lange, lange überdauert.
Die Analogie der Zellen in einem biologischen Organismus und der Mitglieder
einer Organisation ist schon lange in Gebrauch. Diese Organismen formen durch
geeignete Ausleseverfahren und jahrzehntelange (lebenslange) Prägung die
Denk- und Empfindungsmodi ihrer Konstituenten in einem wesentlich
stärkerem Maße als daß ein wirklich entscheidender
Einfluß einer Einzelperson auf den Gesamtkomplex zu verzeichnen ist. Eine
rühmliche Ausnahme hiervon ist der oben erwähnte Michael Gorbatschow,
dessen Privileg es war, der Totengräber einer der mächtigsten
Organisationen dieses Jahrhunderts zu sein. Nun ist die kommunistische Partei
der Sowjetunion in dem Szenario der Hierarchien, die die Geschicke der Menschen
dieses Planeten bestimmt haben, im Vergleich mit ihren erfolgreicheren
Wettbewerbern nur eine Eintagsfliege. Die Katholische Kirche ist jetzt bald
1700 Jahre alt, die Linie der Ismailiten 1300 Jahre. In der Geschichte gab es
noch wesentlich ältere Hierarchien. Die Pharaonen und ihr Priesterstaat
regierten Ägypten für 3000 Jahre. (Es gab zwar verschiedene Dynastien
von Pharaonen, aber die Kontinuität war durch das Fortbestehen der
Priesterkaste gewahrt.) Es ranken sich endlose Legenden um die Möglichkeit
oder die Wahrscheinlichkeit von Organisationen, die unter dem Deckmantel der
tiefsten Verschwiegenheit seit Jahrtausenden die Menscheit entweder zum
Besseren oder Schlechteren manipulieren.
Diese Theorien haben alle einen entscheidenden Schwachpunkt. Sie gehen von der
Grundannahme aus, daß es so etwas wie einen den Mitgliedern solcher
Organisationen manifesten Willen, ein Ziel, eben ein Manifest, einer solchen
Organisation gäbe. Die Möglichkeit, daß die Organisation als
supra-individueller Organismus (der Übermensch), leben und existieren
könnte, und daher ein völlig an-anthropisches (nicht
menschenähnliches) "Bewußtsein" haben könnte, ist bisher kaum
in Betracht gezogen worden. Warum hier überhaupt das Thema gestreift wird,
hat einen sehr naheliegenden Grund. In der Artificial Intelligence gehört
es zum täglichen Brot des Forschers, sich Gedanken nicht nur über die
Möglichkeit, sondern über die genauen Bedingungen
außermenschlicher Intelligenz zu machen. Meine These ist, daß die
Forscher in die falsche Richtung geschaut haben. Außermenschliche
Intelligenz existiert, seit es die sog. "menschliche Kultur" gibt.
Ich
will jetzt noch ein Gebiet streifen, das bei der Erforschung solcher Komplexe
von entscheidender Bedeutung ist: Die Methodik. Der Begriff, der von Orwell
(1984) entlehnt wurde, hat folgende Bedeutung: Ich als der Forscher, der sich
mit der Thematik eines Überbewußtseins auseinandersetzt, das mein
Bewußtsein (und das meiner Mitmenschen) mehr prägt, als ich jemals
hoffen kann, ES zu beeinflussen, muß mir vollkommen klar sein, daß
das Instrumentarium meines Geistes und meines Verstandes von jenem Komplex
geprägt worden ist. Wenn man diesem Komplex so etwas wie einen Willen
zubilligen möchte, dann ist es auf jeden Fall sein manifester Wille,
daß keiner seiner Konstituenten jemals den Schatten einer Ahnung von
seiner Existenz haben darf (Daher auch die o.g. Verschwörungsmythen). Da
ES meinem Verstand übergeordnet ist, ist es IHM ein leichtes, dies zu
bewirken, indem es mir einfach die konzeptuellen Mittel vorenthält, einen
solchen Gedanken zu denken. Und wenn ich ihn dennoch denken kann, dann wird auf
der nächsten Verteidigungs-Linie dafür gesorgt, daß, sofort
nachdem ich ihn geäußert habe, ich von den netten Leuten in den
weißen Kitteln abgeholt und an einen sicheren Ort gebracht werde. Ich
will deshalb hier nicht allzuviel mehr sagen, sondern nur darauf hinweisen,
daß man mit der sozial sanktionierten Denk- und Schließ-Methodik in
so einem Fall nicht sehr weit kommt. Man muß eine Methode einsetzen, die
Orwell "Double-Think" genannt hat. Diese geht ungefähr so:
Es macht zwar "objektiv" überhaupt keinen Sinn, die Hypothese eines
Überbewußtseins anzunehmen, aber man kommt manchmal wesentlich
einfacher zu wesentlich sinnfälligeren Ergebnissen als ohne diese
Hypothese. So ungefähr war das auch bei der Erfindung der imaginären
Zahlen. Ein recht gangbarer Weg ist es, jede der öffentlichen
Verlautbarungen der Kopf-Konstituenten des Hierarchiekomplexes (also der
sichtbaren Machthaber und ihrer Vertreter bis in die Instanzen, also Schulen,
Kirchen, Polizeistationen, Krankenhäuser und Gefängnisse) auf die
mögliche Inversion in ein logisch haltbares Gegenteil zu
überprüfen. Durch Ausschluß von logisch widersprüchlichen
Thesen gelangt man allmählich zu einer koherenten Sicht der Tatsachen, die
der der offiziellen Darstellung diametral gegenübersteht, deren inherente
Logik aber genauso zwingend und zweifelsfrei ist, wie die offizielle. In
Gedenken der netten Herren in den weißen Kitteln beende ich diesen
Gedankengang hier etwas abrupt und wende mich wieder meinem Hauptthema zu, der
(Computer-) Technologie. Computer-Technologie: Eine Technologie des Krieges -
Die heutige Computer-Technologie (und mit ihr der größte Teil aller
Technologie) ist eine Technologie des Krieges: Gezielt, Feinde zu
zerstören, und nachdem die äußeren Feinde besiegt waren, nun
weiterwirkend, und weiterwütend, in einem unbarmherzigen, kalten
Bürgerkrieg. Wir stehen heute am Ende des Kalten Krieges, und müssen
erschreckt feststellen, daß nach diesem Ende sofort viele kleine
heiße Kriege aufflammen. So als ob die kriegerische Energie über
Jahrzehnte unter der dicken Decke der drohenden Atomvernichtung
gezwungenermaßen nur geschwelt hätte, und nun, bei jedem kleinen
Windzug überall helle Flammen aus der Kohle lodern.
Die Computertechnologie, wie auch die Luft- und Raumfahrt- Technologie, und die
Atom-Technologie, wurden geschaffen und unterhalten, um Kriege zu gewinnen. Wie
ich oben andeute, genügt es nicht, auf die historisch leicht bestimmbaren
Auslöser zu weisen, es muß auch Arbeit an den viel tiefer reichenden
Wurzeln gemacht werden. Aber die historische Vergangenheit ist leichter
nachzuzeichnen und bietet gutes Anschauungsmaterial, von dem aus man weitere
Schlüsse ziehen kann.
Technologie, oder Erfindungen haben schon immer das Kriegswesen "vorwärts" getrieben. Mit dem Wurfhebel-Speer sollen die Säbelzahntiger und Mammute ausgerottet worden sein. (Das Prinzip ist ein kurzer Wurfspeer, der mit einem Hebelarm anstatt mit der Hand geschleudert wurde.) Der Streitwagen soll die ägyptischen und vorderasiatischen Großreiche begründet haben. Die Trireme bohrte das persische Imperium in den Grund. Die Stahltechnologie verlagerte das Macht-Potential immer weiter nach Norden: Erst Rom, dann Mitteleuropa. Der Steigbügel brachte die arabischen und tatarischen Eroberungszüge. Langbogen waren die entscheidende Waffe im hundertjährigen Krieg England gegen Frankreich. Das griechische Feuer hielt das oströmische Imperium für 1000 Jahre über Wasser. Feuerwaffen besiegelten das Schicksal der Ritterheere. Panzerkeile und Stuka-Schläge waren die technologische Komponente von Hitlers Blitzkrieg. Radar und Langstreckenbomber, hochklopffestes Benzin und schnelle Panzer-Dieselmotoren die technologische Komponente seines Untergangs. Technologische Fehler als Kriegsfaktoren Technologische Überlegenheit kann kriegsentscheidend sein, aber technologische Kurzsichtigkeit hat noch größeres Potential zur Entscheidung: Die Japaner verloren ihre Flugzeug- trägerflotte vor Midway, weil sie übersehen hatten, daß das Flugzeugbenzin auf ihren Trägern ein wesentlich höheres Gefährdungspotential darstellte als feindliche Bomben und Torpedos. Während japanische Schlachtschiffe erwiesenermaßen 50 Bomben- und Torpedotreffer hinnehmen konnten und immer noch nicht sanken, brannten die vier japanischen Flugzeugträger nach einigen Treffern unkontrollierbar aus.
Der zweite Weltkrieg brachte die Notwendigkeit der Mobilisation der technologischen Ressourcen ganzer Kontinente, der USA, Mitteleuropas, und der damaligen UDSSR. Nur auf dem Kräftepotential von Volkswirtschaften mit hunderten Millionen Menschen war technologische Kriegführung dieses ungeheuren Ausmaßes möglich. Dazu kam der Wirtschaftsfaktor der Rüstung. Nach Meinung von Wirtschaftswissenschaftlern war die Bewältigung der Rezession sowohl in USA als auch in Deutschland nur durch die Rüstungsproduktion möglich. Japan führte seinen Krieg, um an Rohstoffe für seine Industrien zu kommen.
Daher erwies sich der sofort nach Ende des Weltkrieges einsetzende Kalte Krieg als Gücksfall für die auf Hochtouren laufenden Rüstungsindustrien. Sie konnten mit unverminderter Intensität weiter arbeiten. Der Sputnik-Schock brachte für die USA die Notwendigkeit, ihre Forschungs-Politik ebenfalls in den Kalten Krieg einzuspannen. Seit den vierziger Jahren kam der Aufschwung Kaliforniens durch die militärischen Aufträge. Das Silicon Valley lebte davon. Praktisch alle amerikanischen Universitäten waren vom DoD abhängig. Die ARPA - Agency koordinierte die Computer- Forschung der Universitäten. Eine solchermaßen militarisierte Forschung ist von dem militärischen Charakter ihres Auftrages durch und durch durchtränkt. (Auf englisch sagt man: dyed in the wool.)
Da in einem kalten Krieg keine Entscheidungsschlachten leicht zu identifizierende (und zu glorifizierende) Wendepunkte markieren, ist schwerer festzustellen, was wann die endgültige Niederlage der Sowjetunion besiegelt hat. Mein Vorschlag für diesen Wendepunkt ist die Verkündung des SDI-Programms durch Reagan Anfang der 80er Jahre. Die Computertechnologie der USA machte Waffensysteme möglich, denen die Sowjets auch unter den größten Opfern nichts mehr entgegensetzen konnten. Bei dem Versuch, es doch zu tun, bluteten sie sich materiell aus. Die computergesteuerte Stinger-Rakete, mit der die Afghanischen Mujaheddin dann reihenweise die sowjetischen Hubschrauber von Himmel holten, gab dann den Anstoß zum endgültigen Zusammenbruch. Der Sieg der USA war ein Pyrrhus-Sieg, denn auch sie hatten ihr wirtschaftliches Potential ausgeblutet.
Wenn
man an Militarisierung der Forschungsindustrie denkt, hat man sofort
Assoziationen von Überwachungsstaats-Methoden mit einer
Grobschlächtigkeit wie in der ehemaligen UdSSR. Solche Strukturen sind
aber völlig überaltert und sind vor allem den Eigenschaften des neuen
Mediums Wissen nicht angepaßt. Man kommt heute mit subtileren Methoden
wesentlich weiter, als mit den alten Polizeistaat-Taktiken. Spätestens
seit der Schlappe der Kirchen-Strategen gegen Martin Luther und seine
Gefolgsleute war es nur noch einigen Hinterwäldlern nicht klar, daß
Wissen wie Wasser ist. Der Volksmund hat dafür wieder die passende
Weisheit parat: Wasser ist das stärkste Element, es ist so stark daß
nicht der stärkste Mann es halten kann. Wissen, wie Wasser, sickert durch
alle Ritzen, und nagt unermüdlich an den härtesten Dämmen,
Wehren, und Mauern, bis es sie unterspült und zum Einbruch bringt. Diese
Grunderkenntnis fehlte den Machthabern im Kreml und brachte sie zum Fall.
In einer nach amerikanischem Muster freiheitlich organisierten Gesellschaft
kann sich Wissen wesentlich besser entfalten und verbreiten als in einem
Polizeistaat. Dadurch wird mehr Wissen produziert, und mehr Wissen wird (durch
schnelle Verbreitung) anwendbar. Technologie ist eine Folge von Wissen. Wenn
Technologie mit Mitteln erzeugt wird, wie es in den USA gemacht wird, kostet es
die Volkswirtschaft weniger als in der UDSSR, wo die technologischen
Anstrengungen, mit den Amerikanern auf den wichtigsten Waffentechnologien
schrittzuhalten, den ganzen russischen Kontinent letztlich in den Ruin
geführt hatten. Der Vorsprung war aber, wie gesagt, nur knapp, und auch
die USA hatten sich an den Rand des Ruins gewirtschaftet.
Ich habe in den vorangegangenen Ausführungen versucht, die enge Verbindung
heutiger (Computer-) Technologie mit den Erfordernissen des Kalten Krieges
aufzuzeigen. Es ist hier nicht primär mein Anliegen, die militärische
Anwendung und Zielrichtung einer Technologie in irgend einer Weise zu werten.
Deshalb habe ich am Anfang auch so weit ausgeholt, und die Bezüge zu
wesentliche weiter und tiefer reichenden gesellschaftlichen Fundamenten
aufgestellt. Was ich aber hier zeigen möchte, ist ein Faktor, der sich aus
meiner Analyse ergibt: Nämlich daß gewisse inherente Dynamiken einer
Kriegstechnologie den ausgesprochen fatalen Charakter eines Damokles-Schwerts
haben, das sich sofort gegen seinen Träger richtet, nachdem dieser mit
seiner Technologie den äußeren Feind besiegt hat.
Und diese inherente Natur der Computertechnologie muß erkannt, verstanden
und beherrscht werden, um nicht von einer Falle in die nächste zu fallen.
-
Ich sehe hinter der gewaltigen Mobilisierung der Forschungs- Industrie der
letzten 50 Jahre eine politische Meisterleistung, die möglicherweise noch
nicht so recht gewürdigt worden ist. Es erscheint uns heute so
selbstverständlich, daß es in diesen technologischen
Großprojekten gelungen ist, tausende von hochqualifizierten
Wissenschaftlern auf ein ganz spezielles Ziel hinarbeiten zu lassen - ob das
die Atombombe war, oder das Überschallflugzeug, oder die
Interkontinentalrakete und der Mondflug. Um diese Leistung mit irgendetwas
ähnlichem zu vergleichen, muß ich weit in die Geschichte
zurückgreifen: Die Entwicklung der römischen Legion. Die
römischen Legionen waren über mindestens 500 Jahre im Felde
unbesiegbar. Es war den Römern gelungen, die einzelnen Männer einer
Legion so aufeinanderzudrillen, daß sich die Legion bewegte und handelte
als sei sie ein einziger, lebender Organismus. Ein Feind, der gegen eine Legion
anrannte, zerschellte an ihr, wie eine Welle an einer Klippe. Für uns
individualistische Menschen von heute ist der Grad der Kohärenz, mit dem
hier Menschen zu einem übergeordneten Ganzen zusammengeschweißt
worden waren, unvorstellbar, und übt dabei eine unheimliche Faszination
aus. Das Sinnbild der Legion war das Liktorenbündel, das jeder Legion
vorangetragen wurde. Dieses wurde auch Fasces genannt. Faszination und
Faschismus entstammen diesem selben lateinischen Wort, Fasces. Und der
Faschismus war eine Wiederbelebung dieser Legionsmethode.
Das Phänomen Faschismus hat nicht nur mit Demagogie und Verführung zu
tun, sondern auch mit Psychotechnologie. Und um den zweiten Weltkrieg zu
gewinnen, und die Großforschungskomplexe aufzubauen, mit denen die
erforderlichen Technologien gebaut werden konnten, war ebenfalls
Psychotechnologie erforderlich. Es ist allerdings ein Ding, Menschen auf einer
physischen Ebene zu koordinieren, und ein ganz anderes, dasselbe auf der
intellektuellen Ebene zu versuchen. Sämtliche Heeresführung zu allen
Zeiten nach Rom war im wesentlichen ein mehr oder weniger gelungener Abklatsch
der Legions-Methode, erreicht wurde sie nie wieder. (Die Kriegstechnologie
verbot auch später das Zusammenballen von Menschen in derartig dichten
Massen). Die Industrialisierung war ebenfalls auf diese Methoden der
Menschenführung aufgebaut. Ob man einen Soldaten "Griffe Kloppen" und
Exerzieren beibringt, oder ob man einen Arbeiter anlernt, bestimmte Handgriffe
zu verrichten, ist ein und dasselbe.
Aber Wissenschaftler zu koordinieren ist eine ganz andere Sache. In Abwandelung
eines alten indianischen Sprichworts kann man sagen: "Es ist leichter, 1000
Flöhe in ein Schilfrohr zu bugsieren, als drei Wissenschaftler zu einem
Thema zur Übereinkunft zu bringen." Der stark individualistische Charakter
der Wissenschaftler-Tätigkeit erschwert eine zielgerichtete Koordination
ungemein. Und die große Gefahr ist, wenn man zu stark kontrolliert, dann
bekommt man zwar Output, aber nichts mehr, was zu gebrauchen ist.
Die
genaue Weise, wie die Mobilisierung der Forschungsindustrie zustande kam, wird
möglicherweise nie geklärt werden, weil es vermutlich das am besten
gehütete Geheimnis der Welt ist. Auf der anderen Seite erfordert es nur
wenig kombinatorischen Aufwand, um den geistigen Urheber des Systems
aufzuspüren: John von Neumann. Mit seiner Spieltheorie hatte er einen Satz
von Grundgesetzen der Psychotechnologie aufgestellt, die es ermöglichten,
die bisher völlig schleierhaften Methoden der Demagogen, Führer und
Charismatiker wissenschaftlich zu beleuchten. Es handelt sich hierbei nicht um
neue Prinzipien, sondern im Gegenteil die ältesten Herrschaftsmechanismen
der Menschheit. Man kann daher nicht sagen, Von Neuann hätte sie entdeckt.
Eher das Gegenteil: Es ist ihm gelungen, sie zu verfeinern und auf eine noch
bessere Weise zu verschleiern, als das vorher möglich war.
Der Einsatz der Spieltheorie zur Mobilisierung der amerikanischen
Forschungsindustrie führte zu den bekannten Begleiterscheinungen wie: Die
"publish or perish" -Maxime. Das Gefangenen-Dilemma Das bekannteste Beispiel
der Anwendung seiner Theorie ist das sog. Gefangenen-Dilemma: Zwei Gefangene
haben zusammen eine Straftat begangen, und nun sitzen sie in Einzelhaft, und
sollen morgen verhört werden. Wer geständig ist, und den anderen
anschwärzt, kriegt Hafterleichterung (Kronzeugenregelung). Wenn aber nicht
durch Aussage eines Gefangenen geklärt werden kann, wer genau die Straftat
begangen hat, kommen beide frei.
Dieses Beispiel zeigt, nur wenig abgewandelt, ein wesentliches Dilemma des Wissenschaftlers: Gegeben sind zwei Wissenschaftler A und B, die an demselben Thema arbeiten. Wer zuerst publiziert, gewinnt den Nobelpreis. Es ist eine Konferenz ihres Fachgebiets angesetzt. Wenn sie nicht hingehen, entgeht ihnen möglicherweise ein Detail, das zur Vollendung ihres Projekts entscheidend ist. Gehen sie hin, erfährt möglicherweise der Konkurrent etwas von ihm, das ihn auf die richtige Spur führt, und ihn zuerst ans Ziel kommen läßt. Das ist das Dilemma, in dem sie stehen, und es hat genauso mit Information über das Verhalten des anderen zu tun wie das Gefangenendilemma.
Das Ergebnis ist, sie gehen beide auf die Konferenz, und bemühen sich so gut es geht, Information zu bekommen, aber nicht soviel Information zu geben. Ganz schweigen können sie nicht, also müssen sie eine möglichst wahrscheinliche Version zurechtmachen, um die Konkurrenz irrezuführen. Wer das am besten beherrscht, schickt seinen Kollegen auf die falsche Fährte und wird zuerst fertig und gewinnt den Nobelpreis. Aus der lebenslang eingeübten Ausführung dieser Strategie ergibt sich so etwas wie ein "double-think" Syndrom der Wissenschaftler. Sie sind es so gewohnt, mit diesen zwei Realitäten umzugehen, daß es ihnen nicht mehr bewußt ist.
In der Computertechnologie ist der Fall sehr ähnlich gelagert, wie in den anderen Wissenschaften. Ich habe schon in einer früheren Analyse die Äußerst erfolgreichen Praktiken des Computerkonzerns IBM zum Beispiel genommen, wie man im wirtschaftlichen Wettkampf durch bestimmte Verschlüsselungs- Methoden die Konkurrenz abhängen kann. ( ºIBM-PC84)