Auf dem Walkürenfelsen
Die drei Nornen
Die erste Norn
Welch Licht leuchtet dort?
Die zweite Norn
Dämmert der Tag schon auf?
Die dritte Norn
Loges Heer lodert feurig um den Fels.
Noch ist's Nacht.
Was spinnen und singen wir nicht?
Die zweite Norn (zu
der ersten)
Wollen wir spinnen und singen,
woran spannst du das Seil?
Die erste Norn
So gut und schlimm es geh',
schling' ich das Seil und singe.
An der Weltesche wob ich einst,
da groß und stark dem Stamm entgrünte
weihlicher Äste Wald.
Im kühlen Schatten rauscht' ein Quell,
Weisheit raunend rann sein Gewell';
da sang ich heiligen Sinn.
Ein kühner Gott
trat zum Trunk an den Quell;
seiner Augen eines
zahlt' er als ewigen Zoll.
Von der Weltesche
brach da Wotan einen Ast;
eines Speeres Schaft
entschnitt der Starke dem Stamm.
In langer Zeiten Lauf
zehrte die Wunde den Wald;
falb fielen die Blätter,
dürr darbte der Baum,
traurig versiegte des Quelles Trank:
trüben Sinnes ward mein Gesang.
Doch, web' ich heut
an der Weltesche nicht mehr,
muß mir die Tanne
taugen zu fesseln das Seil:
singe, Schwester, dir werf' ich's zu.
Weißt du, wie das wird?
Die zweite Norn
Treu beratner Verträge Runen
schnitt Wotan in des Speeres Schaft:
den hielt er als Haft der Welt.
Ein kühner Held
zerhieb im Kampfe den Speer;
in Trümmer sprang
der Verträge heiliger Haft.
Da hieß Wotan Walhalls Helden
der Weltesche welkes Geäst
mit dem Stamm in Stücke zu fällen.
Die Esche sank,
ewig versiegte der Quell!
Fessle ich heut
an den scharfen Fels das Seil:
singe, Schwester, dir werf' ich's zu.
Weißt du, wie das wird?
Die dritte Norn
Es ragt die Burg, von Riesen gebaut:
mit der Götter und Helden heiliger Sippe
sitzt dort Wotan im Saal.
Gehau'ner Scheite hohe Schicht
ragt zuhauf rings um die Halle:
die Weltesche war dies einst!
Brennt das Holz
heilig brünstig und hell,
sengt die Glut
sehrend den glänzenden Saal:
der ewigen Götter Ende
dämmert ewig da auf.
Wisset ihr noch,
so windet von neuem das Seil;
von Norden wieder werf' ich's dir nach.
Spinne, Schwester, und singe!
Die erste Norn
Dämmert der Tag?
Oder leuchtet die Lohe?
Getrübt trügt sich mein Blick;
nicht hell eracht' ich das heilig Alte,
da Loge einst entbrannte in lichter Glut.
Weißt du, was aus ihm ward?
Die zweite Norn
Durch des Speeres Zauber
zähmte ihn Wotan;
Räte raunt' er dem Gott.
An des Schaftes Runen,
frei sich zu raten,
nagte zehrend sein Zahn:
da, mit des Speeres
zwingender Spitze
bannte ihn Wotan,
Brünnhildes Fels zu umbrennen.
Weißt du, was aus ihm wird?
Die dritte Norn
Des zerschlagnen Speeres
stechende Splitter
taucht' einst Wotan
dem Brünstigen tief in die Brust:
zehrender Brand zündet da auf;
den wirft der Gott in der Weltesche
zuhauf geschichtete Scheite.
Wollt ihr wissen,
wann das wird?
Schwinget, Schwestern, das Seil!
Die erste Norn
Die Nacht weicht;
nichts mehr gewahr' ich:
des Seiles Fäden find' ich nicht mehr;
verflochten ist das Geflecht.
Ein wüstes Gesicht wirrt mir wütend den Sinn.
Das Rheingold raubte Alberich einst.
Weißt du, was aus ihm ward?
Die zweite Norn
Des Steines Schärfe schnitt in das Seil;
nicht fest spannt mehr der Fäden Gespinst;
verwirrt ist das Geweb'.
Aus Not und Neid
ragt mir des Niblungen Ring:
ein rächender Fluch
nagt meiner Fäden Geflecht.
Weißt du, was daraus wird?
Die dritte Norn
Zu locker das Seil, mir langt es nicht.
Soll ich nach Norden neigen das Ende,
straffer sei es gestreckt!
Es riß!
Die zweite Norn
Es riß!
Die erste Norn
Es riß!
Die drei Nornen
Zu End' ewiges Wissen!
Der Welt melden Weise nichts mehr.
Die dritte Norn
Hinab!
Die zweite Norn
Zur Mutter!
Die erste Norn
Hinab!
(Sie verschwinden.)
Brünnhilde und Siegfried
Brünnhilde
Zu neuen Taten, teurer Helde,
wie liebt' ich dich, ließ ich dich nicht?
Ein einzig' Sorgen läßt mich säumen:
daß dir zu wenig mein Wert gewann!
Was Götter mich wiesen, gab ich dir:
heiliger Runen reichen Hort;
doch meiner Stärke magdlichen Stamm
nahm mir der Held, dem ich nun mich neige.
Des Wissens bar, doch des Wunsches voll:
an Liebe reich, doch ledig der Kraft:
mögst du die Arme nicht verachten,
die dir nur gönnen, nicht geben mehr kann!
Siegfried
Mehr gabst du, Wunderfrau,
als ich zu wahren weiß.
Nicht zürne, wenn dein Lehren
mich unbelehret ließ!
Ein Wissen doch wahr' ich wohl:
daß mir Brünnhilde lebt;
eine Lehre lernt' ich leicht:
Brünnhildes zu gedenken!
Brünnhilde
Willst du mir Minne schenken,
gedenke deiner nur,
gedenke deiner Taten:
gedenk' des wilden Feuers,
das furchtlos du durchschrittest,
da den Fels es rings umbrann.
Siegfried
Brünnhilde zu gewinnen!
Brünnhilde
Gedenk' der beschildeten Frau,
die in tiefem Schlaf du fandest,
der den festen Helm du erbrachst.
Siegfried
Brünnhilde zu erwecken!
Brünnhilde
Gedenk' der Eide, die uns einen;
gedenk' der Treue, die wir tragen;
gedenk' der Liebe, der wir leben:
Brünnhilde brennt dann ewig
heilig dir in der Brust!
Siegfried
Lass' ich, Liebste, dich hier
in der Lohe heiliger Hut;
(er hat den Ring Alberichs von seinem Finger gezogen und reicht ihn jetzt Brünnhilde dar)
zum Tausche
deiner Runen
reich' ich dir diesen Ring.
Was der Taten je ich schuf,
des Tugend schließt er ein.
Ich erschlug einen wilden Wurm,
der grimmig lang ihn bewacht.
Nun wahre du seine Kraft
als Weihegruß meiner Treu'!
Brünnhilde (voll
Entzücken den Ring sich ansteckend)
Ihn geiz' ich als einziges Gut!
Für den Ring nimm nun auch mein Roß!
Ging sein Lauf mit mir
einst kühn durch die Lüfte
mit mir verlor es die mächt'ge Art;
über Wolken hin auf blitzenden Wettern
nicht mehr schwingt es sich mutig des Wegs;
doch wohin du ihn führst,
- sei es durchs Feuer -
grauenlos folgt dir Grane;
denn dir, o Helde,
soll er gehorchen!
Du hüt ihn wohl;
er hört dein Wort:
o bringe Grane oft Brünnhildes Gruß!
Siegfried
Durch deine Tugend allein
soll so ich Taten noch wirken?
Meine Kämpfe kiesest du,
meine Siege kehren zu dir:
auf deines Rosses Rücken,
in deines Schildes Schirm,
nicht Siegfried acht' ich mich mehr,
ich bin nur Brünnhildes Arm.
Brünnhilde
O wäre Brünnhild' deine Seele!
Siegfried
Durch sie entbrennt mir der Mut.
Brünnhilde
So wärst du Siegfried und Brünnhild'?
Siegfried
Wo ich bin, bergen sich beide.
Brünnhilde
So verödet mein Felsensaal?
Siegfried
Vereint, faßt er uns zwei!
Brünnhilde
O heilige Götter! Hehre Geschlechter!
Weidet eu'r Aug' an dem weihvollen Paar!
Getrennt - wer will es scheiden?
Geschieden - trennt es sich nie!
Siegfried
Heil dir, Brünnhilde, prangender Stern!
Heil, strahlende Liebe!
Brünnhilde
Heil dir, Siegfried, siegendes Licht!
Heil, strahlendes Leben!
Beide
Heil! Heil! Heil! Heil!
Die Halle der Gibichungen am Rhein
Gunther, Hagen und Gutrune
Gunther
Nun hör, Hagen, sage mir, Held:
sitz' ich herrlich am Rhein,
Gunther zu Gibichs Ruhm?
Hagen
Dich echt genannten acht' ich zu neiden:
die beid' uns Brüder gebar,
Frau Grimhild' ließ mich's begreifen.
Gunther
Dich neide ich: nicht neide mich du!
Erbt' ich Erstlingsart,
Weisheit ward dir allein:
Halbbrüderzwist bezwang sich nie besser.
Deinem Rat nur red' ich Lob,
frag' ich dich nach meinem Ruhm.
Hagen
So schelt' ich den Rat,
da schlecht noch dein Ruhm;
denn hohe Güter weiß ich,
die der Gibichung noch nicht gewann.
Gunther
Verschwiegst du sie,
so schelt' auch ich.
Hagen
In sommerlich reifer Stärke
seh' ich Gibichs Stamm,
dich, Gunther, unbeweibt,
dich, Gutrun', ohne Mann.
Gunther
Wen rätst du nun zu frein,
daß unsrem Ruhm es fromm'?
Hagen
Ein Weib weiß ich,
das herrlichste der Welt:
auf Felsen hoch ihr Sitz;
ein Feuer umbrennt ihren Saal;
nur wer durch das Feuer bricht,
darf Brünnhildes Freier sein.
Gunther
Vermag das mein Mut zu bestehn?
Hagen
Einem Stärkren noch ist's nur bestimmt.
Gunther
Wer ist der streitlichste Mann?
Hagen
Siegfried, der Wälsungen Sproß:
der ist der stärkste Held.
Ein Zwillingspaar,
von Liebe bezwungen,
Siegmund und Sieglinde,
zeugten den echtesten Sohn.
Der im Walde mächtig erwuchs,
den wünsch' ich Gutrun' zum Mann.
Gutrune
Welche Tat schuf er so tapfer,
daß als herrlichster Held er genannt?
Hagen
Vor Neidhöhle den Niblungenhort
bewachte ein riesiger Wurm:
Siegfried schloß ihm den freislichen Schlund,
erschlug ihn mit siegendem Schwert.
Solch ungeheurer Tat
enttagte des Helden Ruhm.
Gunther
Vom Niblungenhort vernahm ich:
er birgt den neidlichsten Schatz?
Hagen
Wer wohl ihn zu nützen wüßt',
dem neigte sich wahrlich die Welt.
Gunther
Und Siegfried hat ihn erkämpft?
Hagen
Knecht sind die Niblungen ihm.
Gunther
Und Brünnhild' gewänne nur er?
Hagen
Keinem andren wiche die Brunst.
Gunther
Was weckst du Zweifel und Zwist!
Was ich nicht zwingen soll,
darnach zu verlangen machst du mir Lust?
Hagen
Brächte Siegfried die Braut dir heim,
wär' dann nicht Brünnhilde dein?
Gunther
Was zwänge den frohen Mann,
für mich die Braut zu frein?
Hagen
Ihn zwänge bald deine Bitte,
bänd' ihn Gutrun' zuvor.
Gutrune
Du Spötter, böser Hagen,
wie sollt' ich Siegfried binden?
Ist er der herrlichste Held der Welt,
der Erde holdeste Frauen
friedeten längst ihn schon.
Hagen
Gedenk des Trankes im Schrein;
vertraue mir, der ihn gewann:
den Helden, des du verlangst,
bindet er liebend an dich.
Träte nun Siegfried ein,
genöss' er des würzigen Tranks,
daß vor dir ein Weib er ersah,
daß je ein Weib ihm genaht,
vergessen müßt' er des ganz.
Nun redet: wie dünkt euch Hagens Rat?
Gunther
Gepriesen sei Grimhild',
die uns den Bruder gab!
Gutrune
Möcht' ich Siegfried je ersehn!
Gunther
Wie fänden ihn wir auf?
Hagen
Jagt er auf Taten wonnig umher,
zum engen Tann wird ihm die Welt:
wohl stürmt er in rastloser Jagd
auch zu Gibichs Strand an den Rhein.
Gunther
Willkommen hieß' ich ihn gern.
Vom Rhein her tönt das Horn.
Hagen
In einem Nachen Held und Roß!
Der bläst so munter das Horn!
Ein gemächlicher Schlag,
wie von müßiger Hand,
treibt jach den Kahn wider den Strom;
so rüstiger Kraft in des Ruders Schwung
rühmt sich nur der, der den Wurm erschlug.
Siegfried ist es, sicher kein andrer!
Gunther
Jagt er vorbei?
Hagen
Hoiho! Wohin,
du heitrer Held?
Siegfrieds Stimme
Zu Gibichs starkem Sohne.
Hagen
Zu seiner Halle entbiet' ich dich.
Hieher! Hier lege an!
Siegfried, Hagen, Gunther und Gutrune
Hagen
Heil! Siegfried, teurer Held!
Siegfried
Wer ist Gibichs Sohn?
Gunther
Gunther, ich, den du suchst.
Siegfried
Dich hört' ich rühmen weit am Rhein:
nun ficht mit mir oder sei mein Freund!
Gunther
Laß den Kampf! Sei willkommen
Siegfried
Wo berg' ich mein Roß?
Hagen
Ich biet' ihm Rast.
Siegfried
Du riefst mich Siegfried:
sahst du mich schon?
Hagen
Ich kannte dich nur an deiner Kraft.
Siegfried
Wohl hüte mir Grane! Du hieltest nie
von edlerer Zucht am Zaume ein Roß.
Gunther
Begrüße froh, o Held,
die Halle meines Vaters;
wohin du schreitest,
was du ersiehst,
das achte nun dein Eigen:
dein ist mein Erbe, Land und Leut'
hilf, mein Leib, meinem Eide!
Mich selbst geb' ich zum Mann.
Siegfried
Nicht Land noch Leute biete ich
noch Vaters Haus und Hof:
einzig erbt' ich den eignen Leib;
lebend zehr' ich den auf.
Nur ein Schwert hab' ich,
selbst geschmiedet:
hilf, mein Schwert, meinem Eide!
Das biet' ich mit mir zum Bund.
Hagen
Doch des Niblungenhortes
nennt die Märe dich Herrn?
Siegfried (zu
Hagen)
Des Schatzes vergaß ich fast:
so schätz' ich sein müß'ges Gut!
In einer Höhle ließ ich's liegen,
wo ein Wurm es einst bewacht'.
Hagen
Und nichts entnahmst du ihm?
Siegfried
Dies Gewirk, unkund seiner Kraft.
Hagen
Den Tarnhelm kenn' ich,
der Niblungen künstliches Werk:
er taugt, bedeckt er dein Haupt,
dir zu tauschen jede Gestalt;
verlangt dich's an fernsten Ort,
er entführt flugs dich dahin.
Sonst nichts entnahmst du dem Hort?
Siegfried
Einen Ring.
Hagen
Den hütest du wohl?
Siegfried
Den hütet ein hehres Weib.
Hagen (für sich)
Brünnhild'!...
Gunther
Nicht, Siegfried, sollst du mir tauschen:
Tand gäb' ich für dein Geschmeid,
nähmst all mein Gut du dafür.
Ohn' Entgelt dien' ich dir gern.
Gutrune
Willkommen, Gast, in Gibichs Haus!
Seine Tochter reicht dir den Trank.
Siegfried
Vergäß' ich alles, was du mir gabst,
von einer Lehre lass' ich doch nie!
Den ersten Trunk zu treuer Minne,
Brünnhilde, bring' ich dir!
(Er setzt das Trinkhorn an und trinkt in einem langen Zuge. Er reicht das Horn an Gutrune zurück, die verschämt und verwirrt ihre Augen vor ihm niederschlägt. Siegfried heftet den Blick mit schnell entbrannter Leidenschaft auf sie.)
Die so mit dem
Blitz den Blick du mir sengst,
was senkst du dein Auge vor mir?
(Gutrune schlägt errötend das Auge zu ihm auf.)
Ha, schönstes
Weib!
Schließe den Blick;
das Herz in der Brust
brennt mir sein Strahl:
zu feurigen Strömen fühl' ich
ihn zehrend zünden mein Blut!
Gunther, wie heißt deine Schwester?
Gunther
Gutrune.
Siegfried
Sind's gute Runen,
die ihrem Aug' ich entrate?
Deinem Bruder bot ich mich zum Mann:
der Stolze schlug mich aus;
trügst du, wie er, mir Übermut,
böt' ich mich dir zum Bund?
(Gutrune trifft unwillkürlich auf Hagens Blick. Sie neigt demütig das Haupt, und mit einer Gebärde, als fühle sie sich seiner nicht wert, verläßt sie schwankenden Schrittes wieder die Halle.)
Hast du, Gunther, ein Weib?
Gunther
Nicht freit' ich noch,
und einer Frau soll ich mich schwerlich freun!
Auf eine setz ich den Sinn,
die kein Rat mir je gewinnt.
Siegfried
Was wär dir versagt, steh' ich zu dir?
Gunther
Auf Felsen hoch ihr Sitz -
Siegfried
»Auf Felsen hoch ihr Sitz;«
Gunther
ein Feuer umbrennt den Saal -
Siegfried
»ein Feuer umbrennt den Saal.«...?
Gunther
Nur wer durch das Feuer bricht -
Siegfried
»Nur wer durch das Feuer bricht«...?
Gunther
- darf Brünnhildes Freier sein.
(Siegfried drückt durch eine Gebärde aus, daß bei Nennung von Brünnhildes Namen die Erinnerung ihm vollends ganz schwindet.)
Nun darf ich
den Fels nicht erklimmen;
das Feuer verglimmt mir nie!
Siegfried
Ich - fürchte kein Feuer,
für dich frei' ich die Frau;
denn dein Mann bin ich,
und mein Mut ist dein,
gewinn' ich mir Gutrun' zum Weib.
Gunther
Gutrune gönn' ich dir gerne.
Siegfried
Brünnhilde bring' ich dir.
Gunther
Wie willst du sie täuschen?
Siegfried
Durch des Tarnhelms Trug
tausch' ich mir deine Gestalt.
Gunther
So stelle Eide zum Schwur!
Siegfried
Blut-Brüderschaft schwöre ein Eid!
(Hagen füllt ein Trinkhorn mit frischem Wein; dieses hält er dann Siegfried und Gunther bin, welche sich mit ihren Schwertern die Arme ritzen und diese eine kurze Zeit über die Öffnung des Trinkhorns halten. Siegfried und Gunther legen zwei ihrer Finger auf das Horn, welches Hagen fortwährend in ihrer Mitte hält.)
Blühenden
Lebens labendes Blut
träufelt ich in den Trank.
Gunther
Bruder-brünstig mutig gemischt,
blüh' im Trank unser Blut.
Beide
Treue trink' ich dem Freund.
Froh und frei entblühe dem Bund
Blut-Brüderschaft heut!
Gunther
Bricht ein Bruder den Bund:
Siegfried
Trügt den Treuen der Freund:
Beide
Was in Tropfen heut hold wir tranken,
in Strahlen ström es dahin,
fromme Sühne dem Freund!
Gunther
So - biet' ich den Bund.
Siegfried
So - trink' ich dir Treu'!
(betrachtet Hagen, welcher während des Schwures hinter ihm gestanden)
Was nahmst du am Eide nicht teil?
Hagen
Mein Blut verdürb' euch den Trank;
nicht fließt mir's echt und edel wie euch;
störrisch und kalt stockt's in mir;
nicht will's die Wange mir röten.
Drum bleib' ich fern vom feurigen Bund.
Gunther
Laß den unfrohen Mann!
Siegfried
Frisch auf die Fahrt!
Dort liegt mein Schiff;
schnell führt es zum Felsen.
Eine Nacht am Ufer harrst du im Nachen;
die Frau fährst du dann heim.
Gunther
Rastest du nicht zuvor?
Siegfried
Um die Rückkehr ist's mir jach!
(Er geht zum Ufer, um das Schiff loszubinden.)
Gunther
Du, Hagen, bewache die Halle!
(Er folgt Siegfried zum Ufer. Gutrune erscheint an der Tür ihres Gemachs, als soeben Siegfried das Schiff abstößt, welches sogleich der Mitte des Stromes zutreibt.)
Gutrune
Wohin eilen die Schnellen?
Hagen
Zu Schiff - Brünnhild' zu frein.
Gutrune
Siegfried?
Hagen
Sieh, wie's ihn treibt,
zum Weib dich zu gewinnen!
Gutrune
Siegfried - mein!
(Sie geht, lebhaft erregt, in ihr Gemach zurück.)
Hagen
Hier sitz' ich zur Wacht, wahre den Hof,
wehre die Halle dem Feind.
Gibichs Sohne wehet der Wind,
auf Werben fährt er dahin.
Ihm führt das Steuer ein starker Held,
Gefahr ihm will er bestehn.
Die eigne Braut ihm bringt er zum Rhein;
mir aber bringt er - den Ring!
Ihr freien Söhne, frohe Gesellen,
segelt nur lustig dahin!
Dünkt er euch niedrig, ihr dient ihm doch,
des Niblungen Sohn.
Uferraum vor der Halle der Gibichungen
Hagen, Alberich
Alberich
Schläfst du, Hagen, mein Sohn?
Du schläfst und hörst mich nicht,
den Ruh' und Schlaf verriet?
Hagen
Ich höre dich, schlimmer Albe:
was hast du meinem Schlaf zu sagen?
Alberich
Gemahnt sei der Macht,
der du gebietest,
bist du so mutig,
wie die Mutter dich mir gebar!
Hagen
Gab mir die Mutter Mut,
nicht mag ich ihr doch danken,
daß deiner List sie erlag:
frühalt, fahl und bleich,
hass' ich die Frohen, freue mich nie!
Alberich
Hagen, mein Sohn! Hasse die Frohen!
Mich Lustfreien, Leidbelasteten
liebst du so, wie du sollst!
Bist du kräftig, kühn und klug:
die wir bekämpfen mit nächtigem Krieg,
schon gibt ihnen Not unser Neid.
Der einst den Ring mir entriß,
Wotan, der wütende Räuber,
vom eignen Geschlechte ward er geschlagen
an den Wälsung verlor er Macht und Gewalt;
mit der Götter ganzer Sippe
in Angst ersieht er sein Ende.
Nicht ihn fürcht' ich mehr:
fallen muß er mit allen!
Schläfst du, Hagen, mein Sohn?
Hagen
Der Ewigen Macht, wer erbte sie?
Alberich
Ich - und du! Wir erben die Welt.
Trüg' ich mich nicht in deiner Treu',
teilst du meinen Gram und Grimm.
Woraus Speer zerspellte der Wälsung,
der Fafner, den Wurm, im Kampfe gefällt
und kindisch den Reif sich errang.
Jede Gewalt hat er gewonnen;
Walhall und Nibelheim neigen sich ihm.
An dem furchtlosen Helden
erlahmt selbst mein Fluch:
denn nicht kennt er des Ringes Wert,
zu nichts nützt er die neidlichste Macht.
Lachend in liebender Brunst,
brennt er lebend dahin.
Ihn zu verderben, taugt uns nun einzig!
Schläfst du, Hagen, mein Sohn?
Hagen
Zu seinem Verderben dient er mir schon.
Alberich
Den goldnen Ring,
den Reif gilt's zu erringen!
Ein weises Weib lebt dem Wälsung zulieb:
riet es ihm je des Rheines Töchtern,
die in Wassers Tiefen einst mich betört,
zurückzugeben den Ring,
verloren ging' mir das Gold,
keine List erlangte es je.
Drum, ohne Zögern ziel auf den Reif!
Dich Zaglosen zeugt' ich mir ja,
daß wider Helden hart du mir hieltest.
Zwar stark nicht genug, den Wurm zu bestehn,
was allein dem Wälsung bestimmt,
zu zähem Haß doch erzog ich Hagen,
der soll mich nun rächen,
den Ring gewinnen
dem Wälsung und Wotan zum Hohn!
Schwörst du mir's, Hagen, mein Sohn?
Hagen
Den Ring soll ich haben:
harre in Ruh'!
Alberich
Schwörst du mir's, Hagen, mein Held?
Hagen
Mir selbst schwör' ich's;
schweige die Sorge!
Alberich
Sei treu, Hagen, mein Sohn!
Trauter Helde! - Sei treu!
Sei treu! - Treu!
(Alberich ist gänzlich verschwunden.)
Siegfried, Hagen, Gutrune
Siegfried
Hoiho, Hagen! Müder Mann!
Siehst du mich kommen?
Hagen
Hei, Siegfried!
Geschwinder Helde!
Wo brausest du her?
Siegfried
Vom Brünnhildenstein!
Dort sog ich den Atem ein,
mit dem ich dich rief:
so schnell war meine Fahrt!
Langsamer folgt mir ein Paar:
zu Schiff gelangt das her!
Hagen
So zwangst du Brünnhild'?
Siegfried
Wacht Gutrune?
Hagen
Hoiho, Gutrune, komm heraus!
Siegfried ist da:
was säumst du drin?
Siegfried
Euch beiden meld' ich,
wie ich Brünnhild' band.
(Gutrune tritt ihm aus der Halle entgegen.)
Heiß mich
willkommen, Gibichskind!
Ein guter Bote bin ich dir.
Gutrune
Freia grüße dich zu aller Frauen Ehre!
Siegfried
Frei und hold sei nun mir Frohem:
zum Weib gewann ich dich heut.
Gutrune
So folgt Brünnhild' meinem Bruder?
Siegfried
Leicht ward die Frau ihm gefreit.
Gutrune
Sengte das Feuer ihn nicht?
Siegfried
Ihn hätt' es auch nicht versehrt,
doch ich durchschritt es für ihn,
da dich ich wollt' erwerben.
Gutrune
Und dich hat es verschont?
Siegfried
Mich freute die schwelende Brunst
Gutrune
Hielt Brünnhild' dich für Gunther?
Siegfried
Ihm glich ich auf ein Haar:
der Tarnhelm wirkte das,
wie Hagen tüchtig es wies.
Hagen
Dir gab ich guten Rat.
Gutrune
So zwangst du das kühne Weib?
Siegfried
Sie wich - Gunthers Kraft.
Gutrune
Und vermählte sie sich dir?
Siegfried
Ihrem Mann gehorchte Brünnhild'
eine volle bräutliche Nacht.
Gutrune
Als ihr Mann doch galtest du?
Siegfried
Bei Gutrune weilte Siegfried.
Gutrune
Doch zur Seite war ihm Brünnhild'?
Siegfried (auf sein
Schwert deutend)
Zwischen Ost und West der Nord:
so nah - war Brünnhild' ihm fern.
Gutrune
Wie empfing Gunther sie nun von dir?
Siegfried
Durch des Feuers verlöschende Lohe,
im Frühnebel vom Felsen folgte sie mir zu Tal;
dem Strande nah,
flugs die Stelle tauschte Gunther mit mir:
durch des Geschmeides Tugend
wünscht' ich mich schnell hieher.
Ein starker Wind nun treibt
die Trauten den Rhein herauf:
drum rüstet jetzt den Empfang!
Gutrune
Siegfried, mächtigster Mann!
Wie faßt mich Furcht vor dir!
Hagen
In der Ferne seh' ich ein Segel.
Siegfried
So sagt dem Boten Dank!
Gutrune
Lasset uns sie hold empfangen,
daß heiter sie und gern hier weile!
Du, Hagen, minnig rufe die Mannen
nach Gibichs Hof zur Hochzeit!
Frohe Frauen ruf' ich zum Fest:
der Freudigen folgen sie gern.
Rastest du, schlimmer Held?
Siegfried
Dir zu helfen, ruh' ich aus.
Hagen, Mannen
Hagen
Hoiho! Hoihohoho!
Ihr Gibichsmannen, machet euch auf!
Wehe! Wehe! Waffen! Waffen!
Waffen durchs Land! Gute Waffen!
Starke Waffen, scharf zum Streit.
Not ist da! Not! Wehe! Wehe!
Hoiho! Hoihohoho!
Mannen
Was tost das Horn?
Was ruft es zu Heer?
Wir kommen mit Wehr,
wir kommen mit Waffen!
Hagen! Hagen!
Hoiho! Hoiho!
Welche Not ist da?
Welcher Feind ist nah?
Wer gibt uns Streit?
Ist Gunther in Not?
Wir kommen mit Waffen,
mit scharfer Wehr.
Hoiho! Ho! Hagen!
Hagen
Rüstet euch wohl und rastet nicht;
Gunther sollt ihr empfahn:
ein Weib hat der gefreit.
Mannen
Drohet ihm Not?
Drängt ihn der Feind?
Hagen
Ein freisliches Weib führet er heim.
Mannen
Ihm folgen der Magen feindliche Mannen?
Hagen
Einsam fährt er: keiner folgt.
Mannen
So bestand er die Not?
So bestand er den Kampf?
Sag' es an!
Hagen
Der Wurmtöter wehrte der Not:
Siegfried, der Held, der schuf ihm Heil!
Mannen
Was soll ihm das Heer nun noch helfen?
Was hilft ihm nun das Heer?
Hagen
Starke Stiere sollt ihr schlachten;
am Weihstein fließe Wotan ihr Blut!
Mannen
Was, Hagen, was heißest du uns dann?
Was soll es dann?
Was heißest du uns dann?
Hagen
Einen Eber fällen sollt ihr für Froh!
Einen stämmigen Bock stechen für Donner!
Schafe aber schlachtet für Fricka,
daß gute Ehe sie gebe!
Mannen
Schlugen wir Tiere,
was schaffen wir dann?
Hagen
Das Trinkhorn nehmt,
von trauten Frau'n
mit Met und Wein wonnig gefüllt!
Mannen
Das Trinkhorn zur Hand,
wie halten wir es dann?
Hagen
Rüstig gezecht, bis der Rausch euch zähmt!
Alles den Göttern zu Ehren,
daß gute Ehe sie geben!
Mannen
Groß Glück und Heil lacht nun dem Rhein,
da Hagen, der Grimme, so lustig mag sein!
Der Hagedorn sticht nun nicht mehr;
zum Hochzeitsrufer ward er bestellt.
Hagen
Nun laßt das Lachen, mut'ge Mannen!
Empfangt Gunthers Braut!
Brünnhilde naht dort mit ihm.
Hold seid der Herrin,
helfet ihr treu:
traf sie ein Leid,
rasch seid zur Rache!
(Er wendet sich langsam zur Seite, in den Hintergrund. Während des Folgenden kommt der Nachen mit Gunther und Brünnhilde auf dem Rheine an.)
Mannen
Heil! Heil!
Willkommen! Willkommen!
Willkommen! Gunther!
Heil! Heil!
Gunther, Siegfried, Brünnhilde, Hagen, Gutrune, Mannen, Frauen
Mannen
Heil dir, Gunther!
Heil dir und deiner Braut!
Willkommen!
Gunther
Brünnhild', die hehrste Frau,
bring' ich euch her zum Rhein.
Ein edleres Weib ward nie gewonnen.
Der Gibichungen Geschlecht,
gaben die Götter ihm Gunst,
zum höchsten Ruhm rag es nun auf!
Mannen
Heil! Heil dir,
glücklicher Gibichung!
(Gunther geleitet Brünnhilde, die nie aufblickt, zur Halle, aus welcher jetzt Siegfried und Gutrune, von Frauen begleitet, heraustreten.)
Gunther
Gegrüßt sei, teurer Held;
gegrüßt, holde Schwester!
Dich seh' ich froh ihm zur Seite,
der dich zum Weib gewann.
Zwei sel'ge Paare
seh' ich hier prangen:
Brünnhild' und Gunther,
Gutrun' und Siegfried!
(Brünnhilde schlägt erschreckt die Augen auf und erblickt Siegfried; wie in Erstaunen bleibt ihr Blick auf ihn gerichtet. Gunther, welcher Brünnhildes heftig zuckende Hand losgelassen hat, sowie alle übrigen zeigen starre Betroffenheit über Brünnhildes Benehmen.)
Mannen
Was ist ihr? Ist sie entrückt?
Siegfried
Was müht Brünnhildens Blick?
Brünnhilde
Siegfried... hier...! Gutrune...?
Siegfried
Gunthers milde Schwester:
mir vermählt wie Gunther du.
Brünnhilde
Ich... Gunther...? Du lügst!
Mir schwindet das Licht...
Siegfried - kennt mich nicht?
Siegfried
Gunther, deinem Weib ist übel!
(Gunther tritt hinzu.)
Erwache, Frau!
Hier steht dein Gatte.
Brünnhilde (erblickt
am Finger Siegfrieds den Ring und schrickt mit furchtbarer Heftigkeit auf)
Ha! - Der Ring,
an seiner Hand!
Er -? Siegfried -?
Mannen
Was ist? Was ist?
Hagen
Jetzt merket klug,
was die Frau euch klagt!
Brünnhilde
Einen Ring sah ich an deiner Hand.
Nicht dir gehört er,
ihn entriß mir (auf Gunther deutend) dieser Mann!
Wie mochtest von ihm den Ring du empfahn?
Siegfried
Den Ring empfing ich nicht von ihm.
Brünnhilde (zu
Gunther)
Nahmst du von mir den Ring,
durch den ich dir vermählt;
so melde ihm dein Recht,
fordre zurück das Pfand!
Gunther
Den Ring? Ich gab ihm keinen:
Doch - kennst du ihn auch gut?
Brünnhilde
Wo bärgest du den Ring,
den du von mir erbeutet?
(Gunther schweigt in höchster Betroffenheit.)
Ha! - Dieser
war es,
der mir den Ring entriß:
Siegfried, der trugvolle Dieb!
Siegfried
Von keinem Weib kam mir der Reif;
noch war's ein Weib, dem ich ihn abgewann:
genau erkenn' ich des Kampfes Lohn,
den vor Neidhöhl' einst ich bestand,
als den starken Wurm ich erschlug.
Hagen
Brünnhild', kühne Frau,
kennst du genau den Ring?
Ist's der, den du Gunther gabst,
so ist er sein,
und Siegfried gewann ihn durch Trug,
den der Treulose büßen sollt'!
Brünnhilde
Betrug! Betrug! Schändlichster Betrug!
Verrat! Verrat! Wie noch nie er gerächt!
Gutrune
Verrat? An wem?
Mannen
Verrat? Verrat?
Frauen
Verrat? An wem?
Brünnhilde
Heil'ge Götter, himmlische Lenker!
Rauntet ihr dies in eurem Rat?
Lehrt ihr mich Leiden, wie keiner sie litt?
Schuft ihr mir Schmach, wie nie sie geschmerzt?
Ratet nun Rache, wie nie sie gerast!
Zündet mir Zorn, wie noch nie er gezähmt!
Heißet Brünnhild' ihr Herz zu zerbrechen,
den zu zertrümmern, der sie betrog!
Gunther
Brünnhild', Gemahlin!
Mäß'ge dich!
Brünnhilde
Weich fern, Verräter!
Selbst Verratner!
Wisset denn alle: nicht ihm -
dem Manne dort bin ich vermählt.
Frauen
Siegfried? Gutruns Gemahl?
Mannen
Gutruns Gemahl?
Brünnhilde
Er zwang mir Lust und Liebe ab.
Siegfried
Achtest du so der eignen Ehre?
Die Zunge, die sie lästert,
muß ich der Lüge sie zeihen?
Hört, ob ich Treue brach!
Blutbrüderschaft
hab' ich Gunther geschworen:
Notung, das werte Schwert,
wahrte der Treue Eid;
mich trennte seine Schärfe
von diesem traur'gen Weib.
Brünnhilde
Du listiger Held, sieh, wie du lügst!
Wie auf dein Schwert du schlecht dich berufst!
Wohl kenn' ich seine Schärfe,
doch kenn' auch die Scheide,
darin so wonnig ruht' an der Wand
Notung, der treue Freund,
als die Traute sein Herr sich gewann.
Mannen
Wie? Brach er die Treue?
Trübte er Gunthers Ehre?
Frauen
Brach er die Treue?
Gunther (zu
Siegfried)
Geschändet wär' ich, schmählich bewahrt,
gäbst du die Rede nicht ihr zurück!
Gutrune
Treulos, Siegfried, sannest du Trug?
Bezeuge, daß jene falsch dich zeiht!
Mannen
Reinige dich, bist du im Recht!
Schweige die Klage!
Schwöre den Eid!
Siegfried
Schweig' ich die Klage,
schwör' ich den Eid:
wer von euch wagt seine Waffe daran?
Hagen
Meines Speeres Spitze wag' ich daran:
sie wahr' in Ehren den Eid.
Siegfried
Helle Wehr! Heilige Waffe!
Hilf meinem ewigen Eide!
Bei des Speeres Spitze sprech' ich den Eid:
Spitze, achte des Spruchs!
Wo Scharfes mich schneidet,
schneide du mich;
wo der Tod mich soll treffen,
treffe du mich:
klagte das Weib dort wahr,
brach ich dem Bruder den Eid!
Brünnhilde
Helle Wehr! Heilige Waffe!
Hilf meinem ewigen Eide!
Bei des Speeres Spitze sprech' ich den Eid:
Spitze, achte des Spruchs!
Ich weihe deine Wucht,
daß sie ihn werfe!
Deine Schärfe segne ich,
daß sie ihn schneide:
denn, brach seine Eide er all',
schwur Meineid jetzt dieser Mann!
Mannen
Hilf, Donner, tose dein Wetter,
zu schweigen die wütende Schmach!
Siegfried
Gunther, wehr deinem Weibe,
das schamlos Schande dir lügt!
Gönnt ihr Weil' und Ruh',
der wilden Felsenfrau,
daß ihre freche Wut sich lege,
die eines Unholds arge List
wider uns alle erregt!
Ihr Mannen, kehret euch ab!
Laßt das Weibergekeif!
Als Zage weichen wir gern,
gilt es mit Zungen den Streit.
(Er tritt dicht zu Gunther.)
Glaub, mehr
zürnt es mich als dich,
daß schlecht ich sie getäuscht:
der Tarnhelm, dünkt mich fast,
hat halb mich nur gehehlt.
Doch Frauengroll friedet sich bald:
daß ich dir es gewann,
dankt dir gewiß noch das Weib.
(Er wendet sich wieder zu den Mannen.)
Munter, ihr
Mannen!
Folgt mir zum Mahl!
(Zu den Frauen.)
Froh zur
Hochzeit helfet, ihr Frauen!
Wonnige Lust lache nun auf!
In Hof und Hain,
heiter vor allen sollt ihr heute mich sehn.
Wen die Minne freut,
meinem frohen Mute
tu es der Glückliche gleich!
(Er schlingt in ausgelassenem Übermute seinen Arm um Gutrune und zieht sie mit sich in die Halle fort. Die Mannen und Frauen, von seinem Beispiele hingerissen, folgen ihm nach.)
Brünnhilde, Hagen, Gunther
Brünnhilde
Welches Unholds List liegt hier verhohlen?
Welches Zaubrers Rat regte dies auf?
Wo ist nun mein Wissen gegen dies Wirrsal?
Wo sind meine Runen gegen dies Rätsel?
Ach Jammer! Jammer! Weh, ach Wehe!
All mein Wissen wies ich ihm zu!
In seiner Macht hält er die Magd;
in seinen Banden hält er die Beute,
die, jammernd ob ihrer Schmach,
jauchzend der Reiche verschenkt!
Wer bietet mir nun das Schwert,
mit dem ich die Bande zerschnitt?
Hagen
Vertraue mir, betrogne Frau!
Wer dich verriet, das räche ich.
Brünnhilde
An wem?
Hagen
An Siegfried, der dich betrog.
Brünnhilde
An Siegfried?... du?
Ein einziger Blick seines blitzenden Auges,
das selbst durch die Lügengestalt
leuchtend strahlte zu mir,
deinen besten Mut
machte er bangen!
Hagen
Doch meinem Speere
spart ihn sein Meineid!
Brünnhilde
Eid und Meineid, müßige Acht!
Nach Stärkrem späh,
deinen Speer zu waffnen,
willst du den Stärksten bestehn!
Hagen
Wohl kenn' ich Siegfrieds siegende Kraft,
wie schwer im Kampf er zu fällen;
drum raune nun du mir guten Rat,
wie doch der Recke mir wich'?
Brünnhilde
O Undank, schändlichster Lohn!
Nicht eine Kunst war mir bekannt,
die zum Heil nicht half seinem Leib!
Unwissend zähmt' ihn mein Zauberspiel,
das ihn vor Wunden nun gewahrt.
Hagen
So kann keine Wehr ihm schaden?
Brünnhilde
Im Kampfe nicht; doch
träfst du im Rücken ihn...
Niemals, das wußt' ich,
wich' er dem Feind,
nie reicht' er fliehend ihm den Rücken:
an ihm drum spart' ich den Segen.
Hagen
Und dort trifft ihn mein Speer!
Auf, Gunther, edler Gibichung!
Hier steht dein starkes Weib:
was hängst du dort in Harm?
Gunther
O Schmach! O Schande!
Wehe mir, dem jammervollsten Manne!
Hagen
In Schande liegst du;
leugn' ich das?
Brünnhilde (zu
Gunther)
O feiger Mann! falscher Genoss'!
Hinter dem Helden hehltest du dich,
daß Preise des Ruhmes er dir erränge!
Tief wohl sank das teure Geschlecht,
das solche Zagen gezeugt!
Gunther
Betrüger ich - und betrogen!
Verräter ich - und verraten!
Zermalmt mir das Mark!
Zerbrecht mir die Brust!
Hilf, Hagen! Hilf meiner Ehre!
Hilf deiner Mutter,
die mich - auch ja gebar!
Hagen
Dir hilft kein Hirn,
dir hilft keine Hand:
dir hilft nur - Siegfrieds Tod!
Gunther
Siegfrieds Tod!
Hagen
Nur der sühnt deine Schmach!
Gunther
Blutbrüderschaft schwuren wir uns!
Hagen
Des Bundes Bruch söhne nun Blut!
Gunther
Brach er den Bund?
Hagen
Da er dich verriet!
Gunther
Verriet er mich?
Brünnhilde
Dich verriet er,
und mich verrietet ihr alle!
Wär' ich gerecht, alles Blut der Welt
büßte mir nicht eure Schuld!
Doch des einen Tod taugt mir für alle:
Siegfried falle zur Sühne für sich und euch!
Hagen (heimlich zu
Gunther)
Er falle - dir zum Heil!
Ungeheure Macht wird dir,
gewinnst von ihm du den Ring,
den der Tod ihm wohl nur entreißt.
Gunther
Brünnhildes Ring?
Hagen
Des Nibelungen Reif.
Gunther
So wär' es Siegfrieds Ende!
Hagen
Uns allen frommt Sein Tod.
Gunther
Doch Gutrune, ach, der ich ihn gönnte!
Straften den Gatten wir so,
wie bestanden wir vor ihr?
Brünnhilde
Was riet mir mein Wissen?
Was wiesen mich Runen?
Im hilflosen Elend achtet mir's hell:
Gutrune heißt der Zauber,
der den Gatten mir entzückt!
Angst treffe sie!
Hagen (zu Gunther)
Muß sein Tod sie betrüben,
verhehlt sei ihr die Tat.
Auf muntres Jagen ziehen wir morgen:
der Edle braust uns voran,
ein Eber bracht' ihn da um.
Gunther und Brünnhilde
So soll es sein! Siegfried falle!
Sühn er die Schmach, die er mir schuf!
Des Eides Treue hat er getrogen:
mit seinem Blut büß er die Schuld!
Allrauner, rächender Gott!
Schwurwissender Eideshort!
Wotan! Wende dich her!
Weise die schrecklich heilige Schar,
hieher zu horchen dem Racheschwur!
Hagen
Sterb er dahin, der strahlende Held!
Mein ist der Hort, mir muß er gehören.
Drum sei der Reif ihm entrissen.
Alben-Vater, gefallner Fürst!
Nachthüter! Niblungenherr!
Alberich! Achte auf mich!
Weise von neuem der Niblungen Schar,
dir zu gehorchen, des Ringes Herrn!
Wildes Wald- und Felsental am Rheine
Die drei Rheintöchter, Siegfried
Die drei Rheintöchter
Frau Sonne sendet lichte Strahlen;
Nacht liegt in der Tiefe:
einst war sie hell,
da heil und hehr
des Vaters Gold noch in ihr glänzte.
Rheingold! Klares Gold!
Wie hell du einstens strahltest,
hehrer Stern der Tiefe!
Weialala leia, wallala leialala.
Frau Sonne, sende uns den Helden,
der das Gold uns wiedergäbe!
Ließ' er es uns, sein lichtes Auge
neideten dann wir nicht länger.
Rheingold! Klares Gold!
Wie froh du dann strahltest,
freier Stern der Tiefe!
Woglinde
Ich höre sein Horn.
Wellgunde
Der Helde naht.
Flosshilde
Laßt uns beraten!
(Sie tauchen alle drei schnell unter. Siegfried erscheint auf dem Abhange in vollen Waffen.)
Siegfried
Ein Albe führte mich irr,
daß ich die Fährte verlor:
He, Schelm, in welchem Berge
bargst du so schnell mir das Wild?
Die drei Rheintöchter (tauchen
wieder auf und schwimmen im Reigen)
Siegfried!
Flosshilde
Was schiltst du so in den Grund?
Wellgunde
Welchem Alben bist du gram?
Woglinde
Hat dich ein Nicker geneckt?
Alle drei
Sag es, Siegfried, sag es uns!
Siegfried
Entzücktet ihr zu euch den zottigen Gesellen,
der mir verschwand?
Ist's euer Friedel,
euch lustigen Frauen lass' ich ihn gern.
Woglinde
Siegfried, was gibst du uns,
wenn wir das Wild dir gönnen?
Siegfried
Noch bin ich beutelos;
so bittet, was ihr begehrt.
Wellgunde
Ein goldner Ring ragt dir am Finger!
Die drei Mädchen
Den gib uns!
Siegfried
Einen Riesenwurm erschlug ich um den Reif:
für eines schlechten Bären Tatzen
böt ich ihn nun zum Tausch?
Woglinde
Bist du so karg?
Wellgunde
So geizig beim Kauf?
Flosshilde
Freigebig solltest Frauen du sein.
Siegfried
Verzehrt' ich an euch mein Gut,
des zürnte mir wohl mein Weib.
Flosshilde
Sie ist wohl schlimm?
Wellgunde
Sie schlägt dich wohl?
Woglinde
Ihre Hand fühlt schon der Held!
Siegfried
Nun lacht nur lustig zu!
In Harm lass' ich euch doch:
denn giert ihr nach dem Ring,
euch Nickern geh' ich ihn nie!
Flosshilde
So schön!
Wellgunde
So stark!
Woglinde
So gehrenswert!
Alle drei
Wie schade, daß er geizig ist!
(Lachend tauchen sie unter.)
Siegfried
Was leid' ich doch das karge Lob?
Lass' ich so mich schmähn?
Kämen sie wieder zum Wasserrand,
den Ring könnten sie haben.
He! he, he! Ihr muntren Wasserminnen!
Kommt rasch! Ich schenk' euch den Ring!
(Er hat den Ring vom Finger gezogen und hält ihn in die Höhe. Die drei Rheintöchter tauchen wieder auf. Sie sind ernst und feierlich.)
Flosshilde
Behalt ihn, Held, und wahr ihn wohl,
bis du das Unheil errätst -
Woglinde und Wellgunde
Das in dem Ring du hegst.
Alle drei
Froh fühlst du dich dann,
befrein wir dich von dem Fluch.
Siegfried (steckt
gelassen den Ring wieder an seinen Finger)
So singet, was ihr wißt!
Alle drei
Siegfried! Siegfried! Siegfried!
Schlimmes wissen wir dir.
Wellgunde
Zu deinem Unheil wahrst du den Reif!
Alle drei
Aus des Rheines Gold ist der Ring geglüht.
Wellgunde
Der ihn listig geschmiedet und schmählich verlor -
Alle drei
Der verfluchte ihn, in fernster Zeit
zu zeugen den Tod dem, der ihn trüg'.
Flosshilde
Wie den Wurm du fälltest -
Wellgunde und Flosshilde
So fällst auch du -
Alle drei
Und heute noch;
So heißen wir's dir
tauschest den Ring du uns nicht -
Wellgunde und Flosshilde
Im tiefen Rhein ihn zu bergen.
Alle drei
Nur seine Flut sühnet den Fluch!
Siegfried
Ihr listigen Frauen, laßt das sein!
Traut' ich kaum eurem Schmeicheln,
euer Drohen schreckt mich noch mindern
Alle drei
Siegfried! Siegfried!
Wir weisen dich wahr.
Weiche, weiche dem Fluch!
Ihn flochten nächtlich webende Nornen
in des Urgesetzes Seil!
Siegfried
Mein Schwert zerschwang einen Speer:
des Urgesetzes ewiges Seil,
flochten sie wilde Flüche hinein,
Notung zerhaut es den Nornen!
Wohl warnte mich einst
vor dem Fluch ein Wurm,
doch das Fürchten lehrt' er mich nicht!
(Er betrachtet den Ring.)
Der Welt Erbe
gewänne mir ein Ring:
für der Minne Gunst miss' ich ihn gern;
ich geb' ihn euch, gönnt ihr mir Gunst.
Doch bedroht ihr mir Leben und Leib:
faßte er nicht eines Fingers Wert,
den Reif entringt ihr mir nicht!
Denn Leben und Leib,
seht: - so - werf' ich sie weit von mir!
(Er hebt eine Erdscholle vom Boden auf, hält sie über seinem Haupte und wirft sie mit den letzten Worten hinter sich.)
Alle drei
Kommt Schwestern!
Schwindet dem Toren!
So weise und stark verwähnt sich der Held,
als gebunden und blind er doch ist.
Eide schwor er - und achtet sie nicht!
Runen weiß er - und rät sie nicht!
Flosshilde, dann
Woglinde
Ein hehrstes Gut ward ihm vergönnt.
Alle drei
Daß er's verworfen, weiß er nicht.
Flosshilde
Nur den Ring -
Wellgunde
Der zum Tod ihm taugt -
Alle drei
Den Reif nur will er sich wahren!
Leb wohl, Siegfried!
Ein stolzes Weib
wird noch heute dich Argen beerben:
sie beut uns bessres Gehör.
Zu ihr! Zu ihr! Zu ihr!
Alle drei
Weialala leia, wallala leialala.
Siegfried
Im Wasser wie am Lande
lernte nun ich Weiberart:
wer nicht ihrem Schmeicheln traut,
den schrecken sie mit Drohen;
wer dem nun kühnlich trotzt,
dem kommt dann ihr Keifen dran.
(Die Rheintöchter sind hier gänzlich verschwunden.)
Und doch,
trüg' ich nicht Gutrun' Treu',
der zieren Frauen eine
hätt' ich mir frisch gezähmt!
Siegfried, Hagen, Gunther, Mannen
Hagens Stimme
Hoiho!
Mannen
Hoiho! Hoiho!
Siegfried
Hoiho! Hoiho! Hoihe!
Hagen (kommt auf
der Höhe hervor. Gunther folgt ihm, Siegfried erblickend.)
Finden wir endlich,
wohin du flogest?
Siegfried
Kommt herab! Hier ist's frisch und kühl!
(Die Mannen kommen alle auf der Höhe an und steigen nun mit Hagen und Gunther herab.)
Hagen
Hier rasten wir und rüsten das Mahl.
Laßt ruhn die Beute und bietet die Schläuche!
Der uns das Wild verscheuchte,
nun sollt ihr Wunder hören,
was Siegfried sich erjagt.
Siegfried
Schlimm steht es um mein Mahl:
von eurer Beute bitte ich für mich.
Hagen
Du beutelos?
Siegfried
Auf Waldjagd zog ich aus,
doch Wasserwild zeigte sich nur.
War ich dazu recht beraten,
drei wilde Wasservögel
hätt' ich euch wohl gefangen,
die dort auf dem Rhein mir sangen,
erschlagen würd' ich noch heut.
Hagen
Das wäre üble Jagd,
wenn den beutelosen selbst
ein lauernd Wild erlegte!
Siegfried
Mich dürstet!
Hagen (indem er für
Siegfried ein Trinkhorn füllen läßt und es diesem dann darreicht).
Ich hörte sagen, Siegfried,
der Vögel Sangessprache
verstündest du wohl:
so wäre das wahr?
Siegfried
Seit lange acht' ich des Lallens nicht mehr.
(Er faßt das Trinkhorn und wendet sich damit zu Gunther. Er trinkt und reicht das Horn Gunther bin.)
Trink,
Gunther, trink!
Dein Bruder bringt es dir!
Gunther
Du mischtest matt und bleich
dein Blut allein darin!
Siegfried
So misch es mit dem deinen!
(Er gießt aus Gunthers Horn in das seine, so daß dieses überläuft.)
Nun floß
gemischt es über:
der Mutter Erde laß das ein Labsal sein!
Gunther
Du überfroher Held!
Siegfried (leise zu
Hagen)
Ihm macht Brünnhilde Müh?
Hagen (leise zu
Siegfried)
Verstünd' er sie so gut,
wie du der Vögel Sang!
Siegfried
Seit Frauen ich singen hörte,
vergaß ich der Vöglein ganz.
Hagen
Doch einst vernahmst du sie?
Siegfried (sich
lebhaft zu Gunther wendend)
Hei, Gunther, grämlicher Mann!
Dankst du es mir,
so sing' ich dir Mären
aus meinen jungen Tagen.
Gunther
Die hör' ich gern.
Hagen
So singe, Held!
Siegfried
Mime hieß ein mürrischer Zwerg:
in des Neides Zwang zog er mich auf,
daß einst das Kind, wann kühn es erwuchs,
einen Wurm ihm fällt' im Wald,
der lang schon hütet einen Hort.
Er lehrte mich schmieden und Erze schmelzen;
doch was der Künstler selber nicht konnt',
des Lehrlings Mute mußt' es gelingen:
eines zerschlagnen Stahles Stücke
neu zu schmieden zum Schwert.
Des Vaters Wehr fügt' ich mir neu:
nagelfest schuf ich mir Notung.
Tüchtig zum Kampf dünkt' er dem Zwerg;
der führte mich nun zum Wald:
dort fällt' ich Fafner, den Wurm.
Jetzt aber merkt wohl auf die Mär:
Wunder muß ich euch melden.
Von des Wurmes Blut
mir brannten die Finger;
sie führt ich kühlend zum Mund:
kaum netzt' ein wenig
die Zunge das Naß,
was da die Vöglein sangen,
das konnt' ich flugs verstehn.
Auf den Ästen saß es und sang:
»Hei! Siegfried gehört nun
der Nibelungen Hort!
Oh! fänd' in der Höhle
den Hort er jetzt!
Wollt' er den Tarnhelm gewinnen,
der taugt' ihm zu wonniger Tat!
Doch möcht' er den Ring sich erraten,
der macht' ihn zum Walter der Welt!«
Hagen
Ring und Tarnhelm trugst du nun fort?
Mannen
Das Vöglein hörtest du wieder?
Siegfried
Ring und Tarnhelm hatt' ich gerafft:
da lauscht' ich wieder dem wonnigen Laller;
der saß im Wipfel und sang:
»Hei, Siegfried gehört nun der Helm und der Ring.
Oh, traute er Mime, dem Treulosen, nicht!
Ihm sollt' er den Hort nur erheben;
nun lauert er listig am Weg:
nach dem Leben trachtet er Siegfried.
Oh, traute Siegfried nicht Mime!«
Hagen
Es mahnte dich gut?
Mannen
Vergaltest du Mime?
Siegfried
Mit tödlichem Tranke trat er zu mir;
bang und stotternd gestand er mir Böses:
Notung streckte den Strolch!
Hagen
Was nicht er geschmiedet,
schmeckte doch Mime!
Mannen
Was wies das Vöglein dich wieder?
Hagen (läßt ein
Trinkhorn neu füllen und träufelt den Saft eines Krautes hinein)
Trink erst, Held, aus meinem Horn:
ich würzte dir holden Trank,
die Erinnerung hell dir zu wecken,
(er reicht Siegfried das Horn)
daß Fernes nicht dir entfalle!
Siegfried (blickt
gedankenvoll in das Horn und trinkt dann langsam)
In Leid zu dem Wipfel lauscht' ich hinauf;
da saß es noch und sang:
»Hei, Siegfried erschlug nun den schlimmen Zwerg!
Jetzt wüßt' ich ihm noch das herrlichste Weib.
Auf hohem Felsen sie schläft,
Feuer umbrennt ihren Saal;
durchschritt' er die Brunst,
weckt' er die Braut,
Brünnhilde wäre dann sein!«
Hagen
Und folgtest du des Vögleins Rate?
Siegfried
Rasch ohne Zögern zog ich nun aus,
bis den feurigen Fels ich traf:
die Lohe durchschritt ich
und fand zum Lohn
schlafend ein wonniges Weib
in lichter Waffen Gewand.
Den Helm löst' ich der herrlichen Maid;
mein Kuß erweckte sie kühn:
oh, wie mich brünstig da umschlang
der schönen Brünnhilde Arm!
Gunther
Was hör' ich!
(Zwei Raben fliegen aus einem Busche auf, kreisen über Siegfried und fliegen dann, dem Rheine zu, davon.)
Hagen
Errätst du auch dieser Raben Geraun'?
(Siegfried fährt heftig auf und blickt, Hagen den Rücken zukehrend, den Raben nach.)
Rache rieten sie mir!
(Er stößt seinen Speer in Siegfrieds Rücken.)
Mannen
Hagen, was tust du?
Was tatest du?
Gunther
Hagen, was tatest du?
Hagen
Meineid rächt' ich!
Siegfried
Brünnhilde, heilige Braut!
Wach auf! Öffne dein Auge!
Wer verschloß dich wieder in Schlaf?
Wer band dich in Schlummer so bang?
Der Wecker kam; er küßt dich wach,
und aber der Braut bricht er die Bande:
da lacht ihm Brünnhildes Lust!
Ach! Dieses Auge, ewig nun offen!
Ach, dieses Atems wonniges Wehen!
Süßes Vergehen, seliges Grauen:
Brünnhild' bietet mir - Gruß!
(Er sinkt zurück und stirbt.)
Die Halle der Gibichungen
Gutrune, Hagen, Gunther, Brünnhilde
Gutrune
War das sein Horn?
Nein! Noch kehrt er nicht heim.
Schlimme Träume störten mir den Schlaf!
Wild wieherte sein Roß;
Lachen Brünnhildes weckte mich auf.
Wer war das Weib,
das ich zum Ufer schreiten sah?
Ich fürchte Brünnhild'!
Ist sie daheim?
Brünnhild'! Brünnhild'!
Bist du wach?
Leer das Gemach.
So war es sie,
die ich zum Rheine schreiten sah!
War das sein Horn?
Nein! öd alles!
Säh' ich Siegfried nur bald!
Hagen
Hoiho! Hoiho!
Wacht auf! Wacht auf!
Lichte! Lichte! Helle Brände!
Jagdbeute bringen wir heim.
Hoiho! Hoiho!
(betritt die Halle)
Auf Gutrun'!
Begrüße Siegfried!
Der starke Held, er kehret heim!
Gutrune
Was geschah? Hagen!
Nicht hört' ich sein Horn!
(Männer und Frauen, mit Lichtern und Feuerbränden, geleiten den Zug der mit Siegfrieds Leiche Heimkehrenden, unter denen Gunther.)
Hagen
Der bleiche Held,
nicht bläst er es mehr;
nicht stürmt er zur Jagd,
zum Streite nicht mehr,
noch wirbt er um wonnige Frauen.
Gutrune
Was bringen die?
(Der Zug gelangt in die Mitte der Halle, und die Mannen setzen dort die Leiche auf einer Erhöhung nieder.)
Hagen
Eines wilden Ebers Beute:
Siegfried, deinen toten Mann.
(Gutrune schreit auf und stürzt über die Leiche. Allgemeine Erschütterung und Trauer.)
Gunther (bemüht
sich um die Ohnmächtige)
Gutrun', holde Schwester,
hebe dein Auge, schweige mir nicht!
Gutrune
Siegfried - Siegfried erschlagen!
Fort, treuloser Bruder,
du Mörder meines Mannes!
O Hilfe! Hilfe! Wehe! Wehe!
Sie haben Siegfried erschlagen!
Gunther
Nicht klage wider mich!
Dort klage wider Hagen;
er ist der verfluchte Eber,
der diesen Edlen zerfleischt'.
Hagen
Bist du mir gram darum?
Gunther
Angst und Unheil greife dich immer!
Hagen
Ja denn! Ich hab' ihn erschlagen.
Ich, Hagen, schlug ihn zu Tod.
Meinem Speer war er gespart,
bei dem er Meineid sprach.
Heiliges Beuterecht
hab' ich mir nun errungen:
drum fordr' ich hier diesen Ring.
Gunther
Zurück! Was mir verfiel,
sollst nimmer du empfahn.
Hagen
Ihr Mannen, richtet mein Recht!
Gunther
Rührst du an Gutrunes Erbe,
schamloser Albensohn?
Hagen (sein Schwert
ziehend).
Des Alben Erbe fordert so sein Sohn!
(Er dringt auf Gunther ein, dieser wehrt sich; sie fechten. Mannen werfen sich dazwischen. Gunther fällt von einem Streiche Hagens.)
Her den Ring!
(Er greift nach Siegfrieds Hand; diese hebt sich drohend empor. Alles bleibt in Schauder regungslos gefesselt. Vom Hintergrunde her schreitet Brünnhilde fest und feierlich dem Vordergrunde zu.)
Brünnhilde
Schweigt eures Jammers
Jauchzenden Schwall.
Das ihr alle verrietet,
zur Rache schreitet sein Weib.
Kinder hört' ich greinen nach der Mutter,
da süße Milch sie verschüttet:
doch nicht erklang mir würdige Klage,
des hehrsten Helden wert.
Gutrune
Brünnhilde! Neiderboste!
Du brachtest uns diese Not:
die du die Männer ihm verhetztest,
weh, daß du dem Haus genaht!
Brünnhilde
Armselige, schweig!
Sein Eheweib warst du nie,
als Buhlerin bandest du ihn.
Sein Mannesgemahl bin ich,
der ewige Eide er schwur,
eh Siegfried je dich ersah.
Gutrune
Verfluchter Hagen,
daß du das Gift mir rietest,
das ihr den Gatten entrückt!
Ach, Jammer!
Wie jäh nun weiß ich's,
Brünnhild' war die Traute,
die durch den Trank er vergaß!
Brünnhilde (allein
in der Mitte; nachdem sie lange, zuerst mit tiefer Erschütterung, dann mit fast
überwältigender Wehmut das Angesicht Siegfrieds betrachtet, wendet sie sich mit
feierlicher Erhebung an die Männer und Frauen)
Starke Scheite schichtet mir dort
am Rande des Rheins zuhauf!
Hoch und hell lodre die Glut,
die den edlen Leib
des hehrsten Helden verzehrt.
Sein Roß führet daher,
daß mit mir dem Recken es folge;
denn des Helden heiligste Ehre zu teilen,
verlangt mein eigener Leib.
Vollbringt Brünnhildes Wunsch!
(Die jüngeren Männer errichten während des Folgenden vor der Halle nahe am Rheinufer einen mächtigen Scheiterhaufen, Frauen schmücken ihn mit Decken, auf die sie Kräuter und Blumen streuen.)
Wie Sonne
lauter strahlt mir sein Licht:
der Reinste war er, der mich verriet!
Die Gattin trügend, treu dem Freunde,
von der eignen Trauten, einzig ihm teuer,
schied er sich durch sein Schwert.
Echter als er schwur keiner Eide;
treuer als er hielt keiner Verträge;
lautrer als er liebte kein andrer:
und doch, alle Eide, alle Verträge,
die treueste Liebe trog keiner wie er!
Wißt ihr, wie das ward?
(Nach oben blickend.)
O ihr, der
Eide ewige Hüter!
Lenkt euren Blick auf mein blühendes Leid,
erschaut eure ewige Schuld!
Meine Klage hör, du hehrster Gott!
Durch seine tapferste Tat,
dir so tauglich erwünscht,
weihtest du den, der sie gewirkt,
dem Fluche, dem du verfielest:
mich mußte der Reinste verraten,
daß wissend würde ein Weib!
Weiß ich nun, was dir frommt?
Alles, alles, alles weiß ich,
alles ward mir nun frei!
Auch deine Raben hör' ich rauschen;
mit bang ersehnter Botschaft
send' ich die beiden nun heim.
Ruhe, ruhe, du Gott!
(Sie winkt den Mannen, Siegfrieds Leiche auf den Scheiterhaufen zu tragen; zugleich zieht sie von Siegfrieds Finger den Ring und betrachtet ihn sinnend.)
Mein Erbe nun
nehm' ich zu eigen.
Verfluchter Reif! Furchtbarer Ring!
Dein Gold fass' ich und geb' es nun fort.
Der Wassertiefe weise Schwestern,
des Rheines schwimmende Töchter,
euch dank' ich redlichen Rat.
Was ihr begehrt, ich geb es euch:
aus meiner Asche nehmt es zu eigen!
Das Feuer, das mich verbrennt,
rein'ge vom Fluch den Ring!
Ihr in der Flut löset ihn auf,
und lauter bewahrt das lichte Gold,
das euch zum Unheil geraubt.
(Sie hat sich den Ring angesteckt und wendet sich jetzt zu dem Scheiterhaufen, auf dem Siegfrieds Leiche ausgestreckt liegt. Sie entreißt einem Manne den mächtigen Feuerbrand, schwingt diesen und deutet nach dem Hintergrund.)
Fliegt heim,
ihr Raben!
Raunt es eurem Herren,
was hier am Rhein ihr gehört!
An Brünnhildes Felsen fahrt vorbei.
Der dort noch lodert,
weiset Loge nach Walhall!
Denn der Götter Ende dämmert nun auf.
So - werf' ich den Brand
in Walhalls prangende Burg.
(Sie schleudert den Brand in den Holzstoß, der sich schnell hell entzündet. Zwei Raben sind vom Felsen am Ufer ausgeflogen und verschwinden nach dem Hintergrunde zu.
Brünnhilde gewahrt ihr Roß, welches zwei junge Männer hereinführen. Sie ist ihm entgegengesprungen, faßt es und entzäumt es schnell; dann neigt sie sich traulich zu ihm.)
Grane, mein
Roß, sei mir gegrüßt!
Weißt du auch, mein Freund,
wohin ich dich führe?
Im Feuer leuchtend, liegt dort dein Herr,
Siegfried, mein seliger Held.
Dem Freunde zu folgen, wieherst du freudig?
Lockt dich zu ihm die lachende Lohe?
Fühl meine Brust auch, wie sie entbrennt;
helles Feuer das Herz mir erfaßt,
ihn zu umschlingen, umschlossen von ihm,
in mächtigster Minne vermählt ihm zu sein!
Heiajoho! Grane!
Grüß deinen Herren!
Siegfried! Siegfried! Sieh!
Selig grüßt dich dein Weib!
(Sie hat sich auf das Roß geschwungen und sprengt mit einem Satze in den brennenden Scheiterhaufen. Sogleich steigt prasselnd der Brand hoch auf, so daß das Feuer den ganzen Raum vor der Halle erfüllt und diese selbst schon zu ergreifen scheint. Entsetzt drängen sich die Männer und Frauen nach dem äußersten Vordergrunde. Als der ganze Bühnenraum nur noch von Feuer erfüllt erscheint, verlischt plötzlich der Glutschein, so daß bald bloß ein Dampfgewölk zurückbleibt, welches sich dem Hintergrunde zu verzieht und dort am Horizont sich als finstere Wolkenschicht lagert. Zugleich ist vom Ufer her der Rhein mächtig angeschwollen und hat seine Flut über die Brandstätte gewälzt. Auf den Wogen sind die drei Rheintöchter herbeigeschwommen und erscheinen jetzt über der Brandstätte. Hagen, der seit dem Vorgange mit dem Ringe Brünnhildes Benehmen mit wachsender Angst beobachtet hat, gerät beim Anblick der Rheintöchter in höchsten Schreck. Er wirft hastig Speer, Schild und Helm von sich und stürzt wie wahnsinnig sich in die Flut.)
Hagen
Zurück vom Ring!
(Woglinde und Wellgunde umschlingen mit ihren Armen seinen Nacken und ziehen ihn so, zurückschwimmend, mit sich in die Tiefe. Floßhilde, den anderen voran dem Hintergrunde zuschwimmend, hält jubelnd den gewonnenen Ring in die Höhe. Durch die Wolkenschicht, welche sich am Horizont gelagert, bricht ein rötlicher Glutschein mit wachsender Helligkeit aus. Von dieser Helligkeit beleuchtet, sieht man die drei Rheintöchter auf den ruhigeren Wellen des allmählich wieder in sein Bett zurückgetretenen Rheines, lustig mit dem Ringe spielend, im Reigen schwimmen. Aus den Trümmern der zusammengestürzten Halle sehen die Männer und Frauen in höchster Ergriffenheit dem wachsenden Feuerschein am Himmel zu. Als dieser endlich in lichtester Helligkeit leuchtet, erblickt man darin den Saal Walhalls, in welchem die Götter und Helden, ganz nach der Schilderung Waltrautes im ersten Aufzuge, versammelt sitzen. Helle Flammen scheinen in dem Saal der Götter aufzuschlagen. Als die Götter von den Flammen gänzlich verhüllt sind, fällt der Vorhang.)